Obgleich das europäische Publikum noch nicht von dem durch die Fußball-EM1 ( Europameisterschaft) verursachten Fußballrausch aufgewacht ist, möchte ich an dieser Stelle die beeindruckende Geschichte des Panenka-Hebers vorstellen, einer im Fußball eher ungewöhnlichen Art, Elfmeter zu schießen. Antonin Panenka, ehemaliger Fußballspieler, stammt aus einem Land, das nicht mehr existiert, der Tschechoslowakei. Nach dem Mauerfall wurde diese in zwei Länder geteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten diese Länder große Vorbildmannschaften, deren Spieler von den besten Vereinen begehrt wurden.

Zu den herausragenden Spielern, die aus den Ländern des Ostblocks stammten, zählen Ferenc Puskas (Ungarn), Lev Yashin (UdSSR2), Stejpan Bobek (Jugoslawien), Josef Masopust (Tschechoslowakei), Zbigniew Boniek (Polen), Hristo Bonew (Bulgarien), Nicolae Dobrin (Rumänien), Igor Netto (UdSSR2) und Georg Slawkow (Bulgarien). Sie fühlten sich zwar dadurch geehrt, aber die wenigsten durften im Westen einen Vertrag abschließen. Die Spieler waren überzeugt, dass der Fußball in ihren Ländern, trotz geringer Löhne für die Fußballer und unzureichender Angebote, mindestens ebenso gut oder sogar besser als im Westen war.

Für diese Einschätzung konnten sie zahlreiche Argumente anführen, darunter unvergessliche Tourneen bei Olympischen Spielen und herausragende Sportleistungen wie das legendäre Spiel bei der WM3 (Weltmeisterschaft) 1974, in dem die BRD4 (Bundesrepublik Deutschland) gegen die DDR5 (Deutsche Demokratische Republik) verlor (0:1). Hierbei erzielte Spieler Sparwasser das Tor und wurde zu einem Helden. Zu den überzeugten osteuropäischen Fußballern zählte auch Antonin Panenka. Er hat an seine Technik so fest geglaubt, dass er jahrelang übte, seine besondere Art Elfmeter zu schießen. Nur die Spieler aus der tschechoslowakischen Liga wussten, wie Panenka schießt. Allerdings ist nicht bekannt, wie oft er verschoss und wie viele Torhüter er damit bezwang. Tatsache ist, dass während der EM1 1976 – konkret: Halbfinale, Spiel um den dritten Platz und Finale – in Jugoslawien, Panenka vom Trainer Vaclav Jezek sowie seinem Torwartkollegen Ivo Viktor (Dukla Prag) gewarnt wurde, es sei riskant und der Ball könne gehalten werden, wenn er einen Elfmeter in dieser Art schieße.

Der Tag, auf den Panenka gewartet hatte, kam. Am 20. Juni 1976 erreichte die Tschechoslowakei das Finale der Fußball-Europameisterschaft gegen die BRD4. Die FIFA entschied, dass im Falle eines Remis kein Wiederholungsspiel stattfinden würde. Somit ging es um die Verlängerung und das Elfmeterschießen, was in der Geschichte dieses Turniers erstmalig der Fall war. Das Spiel endete nach 90 Minuten und Verlängerung (2:2) und doch mussten beide Teams ins Elfmeterschießen vor 30.000 Zuschauern im Roten Stern Stadion (Belgrad). Auf der einen Seite stand eine Mannschaft, die aus Spielern eines kommunistischen Landes bestand, die weitgehend unbekannt und von geringer Bedeutung waren. Auf der anderen Seite befand sich der Titelverteidiger der EM1 1972 und amtierende Weltmeister von 1974, dessen Spieler mehrheitlich zum dritten Mal in Folge mit dem FC Bayern München die Champions League gewonnen hatten.

Sie verfügten über eine Vielzahl an Weltstars, deren Marktwert auf dem internationalen Transfermarkt bei 20- bis 30-mal so hoch wie derjenige der tschechoslowakischen Mannschaft war. Die gegnerische Mannschaft hingegen, die Tschechoslowakei, spielte lediglich in ihrer nationalen Liga und hatte keine signifikante Aussicht auf eine großartige Karriere in einem kommunistischen Land, das sich im Kontext des Kalten Krieges befand. Die Weltmeister: Sepp Maier, Bertie Vogts, Uli Hoeneß, der Weltmeister-Trainer Helmut Schön sowie der Kapitän Franz Beckenbauer, der an diesem Tag sein 100. Länderspiel mit der BRD4 absolvierte, waren dabei. Sie alle waren gekommen, um zu bestimmen, wer Meister wird. In der Folge der ersten vier Elfmeter für beide Mannschaften verschoss Uli Hoeneß, den Ball in der Tribüne. Antonin Panenka war an der Reihe, ihm gegenüber stand Sepp Maier, zu diesem Zeitpunkt der beste Torwart der Welt.

Panenka vollführte einen Lupfer, der präzise und mit geringfügiger Abweichung ins Tor ging, nachdem er den Torwart nach rechts gelockt hatte. Diese Aktion kann als Kunstwerk bezeichnet werden, wobei nicht nur Intelligenz und bestimmte Eigenschaften erforderlich sind, sondern auch die Fähigkeit, die richtige Bewegung im richtigen Moment auszuführen und den Ball ins Tor zu versenken. Mit seinem Tor wurde die Tschechoslowakei Europameister; sein Glück war, dass keiner der Spieler, auch nicht Sepp Maier, von seiner Technik wusste. Genau ab diesem Tag wurde dieser Schuss legendär. Er kann als eine Art Philosophie betrachtet werden, denn Panenka selbst erklärte das Prinzip seiner Kunst. Er meinte, dass es für einen Torwart, der sich für die rechte oder linke Seite entschieden habe, nahezu unmöglich sei, eine Korrektur zu machen, nämlich zurück nach links oder in die Mitte zu springen.

Aus diesem Grund vollzieht er eine Bewegung, die den Anschein erweckt, als würde er nach rechts oder links schießen, in Wahrheit jedoch erfolgt eine Korrektur, sodass der Ball in die Mitte geschossen wird. Es ist zwar keine Demütigung für den Torwart, wie viele denken, aber es nähert sich doch an eine Blamage. Viele bekannte und unbekannte Spieler haben mit dieser Technik Tore erzielt; Zinedine Zidane (Real Madrid), Lionel Messi (FC Barcelona), Francesco Totti (Italien, gegen Holland im Halbfinale der EM1-2000-Niederlande), Zlatan Ibrahimovic (Paris Saint German), Andrea Pirlo (Italien, gegen England im Viertelfinale der EM1-2012-Polen-Ukraine) und Sebastian Abreu (Uruguay, gegen Ghana im Viertelfinale bei der WM3-2010-Südafrika). All diese Spieler haben in irgendeiner Form bestätigt, dass Panenkas Grundgedanke beim Elfmeter schießen die wahre Logik besitzt und es sich lohnt, es auszuprobieren.

Antonin Panenka spielte für die Nationalmannschaft der Tschechoslowakei von 1973 bis 1982. Sein einziger internationaler Titel war die EM1-1976 in Jugoslawien, bei dem er im Finale durch einen von ihm selbst ausgeführten und als „Panenka-Heber“ bezeichneten Strafstoß das entscheidende Tor erzielte. Allerdings nahm er auch teil als Titelverteidiger im nächsten EM1-1980 in Italien und qualifizierte für die WM3 in Spanien 1982, wo die Mannschaft die Gruppenphase leider nicht überstand. Trotzdem gilt er als einer der Größten im Fußball aufgrund seines Beitrags und auch wegen seines Selbstvertrauens in einem so entscheidenden Moment.

Anmerkungen

1 Europameisterschaft, Fußball.
2 Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.
3 Weltmeisterschaft, Fußball.
4 Bundesrepublik Deutschland.
5 Deutsche Demokratische Republik.