„Die alten Zeiten waren immer die besten Zeiten“, solch einen Spruch wird man immer wieder hören. Er gilt auch für unsere Erinnerungen und Sehnsucht in allen gesellschaftlichen Aktivitäten und Disziplinen. Vor der WM 1978 in Argentinien waren die Erwartungen aller Fußballfans auf einen Super Gipfel des „Königssports“ fokussiert. Denn viele Mannschaften befanden sich an einer historischen Spitze: Brasilien, Deutschland, Holland und Polen, unter anderen.
Es ist zu erwähnen, dass in diesen Zeiten Fußball ein Synonym für eine Kunst war, deren Eigenschaften wie Stil, Eleganz, Fairness und Spielfreude als Grundlage zählten. Den Unterschied sehen wir, beispielsweise, an dem Körperbau der Spieler. Während sie heutzutage wie Bodybuilder aussehen, sahen sie damals aus wie ganz normale Sportler, einige sogar mit Untergewicht, aber fähig eine Ballettveranstaltung -mit einem Ball- im Stadion neunzig Minuten lang darzustellen.
Johan Cruyff war ein unverzichtbarer Spieler der holländischen Nationalmannschaft und die große Hoffnung, durch seine Assistenz und Spielart, die Weltmeisterschaft für die Holländer (im Jahr 1974 im Endspiel gegen Deutschland verloren) tatsächlich gewinnen zu können. Cruyff wurde Anfang 1978 als der reichste und beste Spieler der Welt betrachtet. Mit großen Sponsoren versicherte er seine Zukunft und bereicherte mit seiner Leistung beim FC Barcelona die spanische Liga.
Gleichzeitig befanden sich alle lateinamerikanischen Länder unter Militärdiktaturen. Die Vereinigten Staaten hatten durch deren Geheimdienste Verbindungen zum Militär in der Region und schafften überall kleine Festungen, deren Aufgabe es war; die absolute Kontrolle durch ein totalitäres Regime zu erzeugen. Somit waren Meinungsfreiheit und Widerstandsbewegungen bekämpft und bis zum blutigen Ende politisch zerlegt. Einer der Praktiken der Geheimdienste Lateinamerikas war die Folterung aller gegnerischen Volksbewegungen.
Die Methoden, System und Dynamik hatten einen synchronisierten Anschluss in den betroffenen Ländern: Brasilien, Chile, Bolivien, Paraguay, Peru, Uruguay und selbstverständlich Argentinien.
In dessen Hauptstadt Buenos Aires, Ort der Eröffnungsfeier und des Endspiels, befand sich ein Quartier und Gefängnis des Beobachtungsapparates. Dort wurden Menschen nicht nur gefoltert sondern auch ermordet. Das Endergebnis der Militärjunta (Militärdiktatur) waren ca. 40.000 Opfer: Tote und Verschwundene. Die gravierenden Verstöße gegen Menschenrechte waren überaus bekannt. In Europa waren Politiker, Kanzler und Bevölkerung, wegen des Kalten Krieges, den Vereinigten Staaten gegenüber sehr kritisch und skeptisch. An deren Kriegspolitik konnte man erkennen, dass nordamerikanische Politiker hinter den angeblich humanitären Gründen, eigene materielle Interessen oder Machtinteressen verfolgten.
In diesem Zusammenhang verzichtete Johan Cruyff auf die WM-Teilnahme in Argentinien. Der gut unter demokratischen Werten aufgewachsene bürgerliche Spieler sah die Welt anders als seine Teamkameraden und meinte damit, er könne, wenn nicht die Welt ändern, zumindest versuchen, dass die Verantwortlichen zu Wort kämen. Seine Entscheidung basierte auf dem Hintergrund seiner Karriere. In den Saisons zwischen 1973 und 1978 spielte Cruyff für den FC Barcelona. Als Teamkollegen hatte er in diesen Jahren einige Lateinamerikaner; aus Argentinien: Bernardo Cos, J.C. Heredia und Rafael Zuviria, aus Brasilien: Marino Peres und Silvio „Bio“ Modesto, aus Peru: Hugo Sotil und aus Uruguay: Alfredo Amarillo. Die eben genannten Kameraden von Cruyff hatten alle etwas gemeinsam; sie kamen aus südamerikanischen Ländern in denen, bei einigen mehr bei anderen weniger, eine brutal gewaltige Diktatur herrschte. Der zielstrebige Holländer, der immer mit der Nummer vierzehn spielte, wollte das Mitgefühl der Fußballwelt wecken. Sein Verzicht wunderte und enttäuschte viele Fans; aber auch wenn seine Entscheidung radikal war, hatte er allen sein gutes Gewissen öffentlich gezeigt.
Die holländische Mannschaft erreichte das Endspiel und verlor gegen den Gastgeber. General Jorge Rafael Videla feierte auf den Tribünen alle argentinischen Tore, währenddessen sich das Schicksal seiner politischen Gegner in den Folterkammern ein paar Kilometer entfernt entschied. Im Jahr 2010 sorgten Cruyffs Aussagen bei einem Interview für Empörung, er sei Opfer einer Entführung gewesen und aus diesem Grund habe er auf die Teilnahme bei der WM-1978 auch verzichtet. So entstand eine Verwirrung um seine großherzige Geste, die zweifellos Fußball und Politik bestrafte.
Cruyff starb 2016 in Barcelona und hinterließ uns überhaupt keine klare Ansage, was das Geschehen betrifft. Eines ist uns klar geworden; wenn Fußball oder Sport Politik trifft, wird der normale Gang der Geschichte geändert und in diesem Fall ist es ein Grund vierzig Jahre später den neuen Generationen zu zeigen, dass Werte über Geld und Ruhm stehen.