Kunst und Natur werden immer miteinander ringen, bis sie sich schließlich gegenseitig besiegen: Das, was erobert wird, erobert auch gleichzeitig.
(Maria Sibylla Merian)
Die Zukunft ist so unwiderruflich wie die Vergangenheit.
(Jorge Luis Borges)
Im Zwielicht der Moderne, wo die technologische Kontrolleffizienz mit der effektiven Selbstregulation der Natur in einem scheinbaren Widerspruch steht, wirft digitale Transformation eine provokante Frage auf: Könnte sie der Schlüssel zu einer bisher unergründeten Symbiose sein, die den kreativen Geist von den Fesseln unserer Werkzeuge befreit? Dieser Gedanke leitet uns zu einer kühnen Überlegung: Was, wenn die KI uns von der Herrschaft über unsere Instrumente befreit und uns in ein Zeitalter der gemeinsamen Selbstregulation führt? Stehen wir am Beginn einer kulturellen Renaissance, in der die durch analoge Medien verzerrte Metaphorik unseres kulturellen Handelns die Ketten des formalen Zwangs abschüttelt, um einer Kreativität Platz zu machen, die der Wirklichkeit ein sinn- und naturdurchdrungenes Design verleiht?
In einer Aktualität, in der sich die Kultur an einem Scheideweg zwischen Redundanz und Offenbarung befindet, gilt es über das Aphorismus nachdenken. Was verleiht einem Aphorismus eine Resonanz im weiten Feld menschlichen Verstehens? Es geht nicht nur darum, prägnant oder eindrucksvoll zu sein; es geht darum, aus einem Ort der Einsicht zu entstehen, nicht durch äußere Zuschreibung, sondern aus seiner eigenen qualitativen Natur heraus, wie jedes Kunstwerk eigentlich. Im Zeitalter der Kybernetik, wo sich die Kultur am Scheideweg zwischen Überfluss an Wiederholung und dem Moment der Erkenntnis befindet, lädt uns der Aphorismus ein, tiefer zu blicken. Es ist nicht die bloße Kürze oder der Eindruck, der zählt, sondern die Entstehung aus einem Raum der Erkenntnis heraus – nicht durch Fremdzuschreibung, sondern aus seiner eigenen, inhärenten Qualität.
Mit dem Begriff des Plakativen erkunden wir, was es heißt, sowohl bedeutend als auch tiefgreifend zu sein. Eine epistemologische Reise durch das Wesen der Kultur offenbart, dass im Kern unserer Zivilisation ein kybernetisches Verständnis von Selbstregulation und Kontrolle ruht – ein Zusammenfließen von Natur und Kultur. Der Umweg über die Ontologie der Kultur zeigt, dass im Herzen der Zivilisation ein kybernetisches Verständnis der Selbstregulation und Kontrolle steht – eine Dialektik, in der Natur und Kultur sich treffen. Die Natur, in ihrer reinsten Form, ist das Reich der Selbstregulation. Alles, was außerhalb dieses Bereichs fällt, benötigt externe Kontrolle.
Doch Kultur weicht von der Natur ab - sie ist der Bereich des Informativen, das vermittelt wird, weil wir, die Menschen, nicht mehr nur Natur sind und doch noch immer in Entwicklung – zu einer neuen Natur? -begriffen. Wir sind informationell geschlossen und selbstgenügsam, doch unser gemeinsames Handeln, ermöglicht durch die strukturelle Offenheit unserer Physis, erfordert eine medienvermittelte Kommunikation. Der Zweck der Kultur ist es dann, die Redundanzen der Medialität zu überwinden, um entweder die Selbstregulation der Natur wiederzufinden oder eine neue, biosoziotechnologische aus einem nachhaltigen, resilienten und sich selbst regulierenden Zivilisationsdesign heraus, das wir alleine durch unsere Daten, also unser tätiges Sein, steuern - zu schaffen.
Doch wenn Medien zu viele Redundanzen erzeugen, dass unsere Aufmerksamkeit nicht mehr ausreicht, wird die Knappheit kritisch, denn wir müssen strategisch handeln, sind unter Druck, solange wir uns in einer alten oder neuen Wonne der Selbstregulation gefunden haben. Eine medial vermittelte Information, die direkt zum Handeln anstiftet, ist überflüssig und ideologisch. Fördert sie jedoch eigenständiges Denken, ist sie von strategischem Wert. Haben wir bisher eine Kultur von solchem Wert geschaffen? Selten, denn sonst wüssten wir, woher wir kommen und wohin wir gehen, und würden dies umsetzen, ohne uns gegenseitig zu zerstören, wie wir es derzeit tun – durch Konkurrenz, Kriege, diktatorische Regime, das redundante Klonen von Ideologien und die Schaffung unmündiger Menschen und Gesellschaften, die ihre Potenziale nicht ausschöpfen, sondern gegeneinander aufheben.
In einer eindimensionalen Welt ist ein Punkt alles – ein Momentum identisch mit Ewigkeit. In einer zweidimensionalen Welt sind es Myriaden von Punkten entlang einer Linie – nicht mehr Momente, sondern Narrative. Und in einer dreidimensionalen Welt wird die Reihung von Narrativen nur auf einer Fläche wertvoll, wenn sich daraus Konzepte und echte Erkenntnisse der Orientierungsgewissheit abheben. Aphorismen werden zu Traktaten, wenn sie ins Feld der Aufmerksamkeit gerückt werden.
Das Plakative wird zu dem, was Narrative einst waren, wenn es zum Denken anregt und nicht zum Handeln, denn Handeln ohne Reflexion ist redundant. Wenn wir in einer vierdimensionalen Welt mit fortschrittlichen Außerirdischen einer entwickelten Zivilisation Gemeinsamkeiten suchen, sind diese nur entlang der kybernetischen Erkenntnistheorie möglich. Und hier gilt – handele stets so, dass die Anzahl deiner Wahlmöglichkeiten wächst. Die Kultur ist dazu da, Redundanzen so zu überwinden, dass wir trotzdem die Richtung erkennen, bis die Rettung in Form eines Bewusstseins kommt, das uns hilft, einen Mechanismus zu erschaffen, um Potenziale zu erkennen und in Wertschöpfung zu verwandeln. Denn das bestehende Design unserer Zivilisation ist zum Scheitern verurteilt.
Jorge Luis Borges, der meine lektürefreudige Kindheit nachhaltig beeinflusste, könnte in dieser Untersuchung von Wissen und Kultur vielleicht einen Widerhall seiner unendlichen Bibliotheken erblicken – ein Reich, in dem jedes Buch ein Universum, jeder Aphorismus eine darin verborgene Galaxie ist. In dieser Skizze – zu aphoristisch für ein Essay – entdecken wir, dass das eigentliche Wesen von Kultur und Erkenntnis nicht in bloßer Anhäufung liegt, sondern in der kunstvollen Navigation durch ihre unermesslichen Weiten. Hierbei wird das Plakative nicht bloß zum simplen Leuchtsignal, sondern entfaltet sich als Sternenkonstellation, die uns auf den Weg zu einer neuen Blütezeit des Verstehens und der Entfaltung menschlicher Potenziale führt. Diese Auswahl an Quellen dient nicht nur der theoretischen Fundierung dieser essayistischen Skizze, sondern auch als Inspirationsquelle für Leser, die sich tiefer mit den Themen Kybernetik, Kultur, und der Entwicklung menschlicher Potenziale auseinandersetzen möchten.
Dieses Essay entwirft ein Bild der wechselseitigen Ermächtigung zwischen Technologie-Effizienz und dem in seiner Inspirationskraft entfesselten menschlichen Geist, unterstrichen durch die transformative Kraft der KI in der Prägung einer neuen Kultur. Es skizziert eine Zukunft, in der inspirative, vertikale Kreativität und eine bewahrende, konservative Selbstregulation in fruchtbarer Interaktion unergründliche Ausdrucksformen erschaffen. Die kybernetische Renaissance wird hier nicht als entfernte Möglichkeit angesehen, sondern als unausweichlicher Schritt in unserer intersubjektiven Entwicklung, verwurzelt in der Tiefe radikaler Subjektivität und struktureller Zusammengehörigkeit. In diesem Kontext erblüht Kultur, befreit von den Fesseln der Vergangenheit – als Feier der unendlichen Dimensionen menschlicher Potenzialität und befreiter Inspiration.
Anmerkungen
Tsvasman, L. (2021). "Infosomatische Wende: Impulse für intelligentes Zivilisationsdesign." Ergon Verlag (Nomos Gruppe), Baden-Baden. Ein Werk, das sich mit der Rolle der Informationstechnologie in der Gesellschaft und deren Einfluss auf das menschliche Denken und Handeln auseinandersetzt.
Von Foerster, H. (2003). "Understanding Understanding: Essays on Cybernetics and Cognition." Springer. Dieses Buch bietet Einblicke in von Foersters kybernetische Perspektive auf Wissen, Lernen und die menschliche Interaktion mit Technologie.
Maturana, H. R., & Varela, F. J. (1987). "The Tree of Knowledge: The Biological Roots of Human Understanding." New Science Library/Shambhala Publications. Ein grundlegendes Werk über die biologischen Grundlagen menschlichen Erkennens und Verstehens.
Borges, J. L. (1998). "Collected Fictions." Penguin Books. Eine Sammlung von Borges' fiktiven Werken, die die unendliche Vielfalt und Komplexität von Wissen und Kultur erforscht.
Bateson, G. (1972). "Steps to an Ecology of Mind: Collected Essays in Anthropology, Psychiatry, Evolution, and Epistemology." University of Chicago Press. Dieses Buch untersucht die Verbindungen zwischen Geist, Natur und Gesellschaft aus einer kybernetischen Perspektive.
Glasersfeld, E. von (1989). "Cognition, Construction of Knowledge, and Teaching." Synthese, 80(1), 121-140. Ein Artikel, der die konstruktivistische Auffassung von Wissen und Lernen diskutiert.
Luhmann, N. (1995). "Social Systems." Stanford University Press. Ein Werk, das die Theorie sozialer Systeme erläutert und ihren Einfluss auf Kultur und Gesellschaft untersucht.