Die Bewohner von Barmen, Elberfeld und Vohwinkel fühlten sich womöglich wie in einer anderen Welt oder wie in einem Science-Fiction-Film, als Bauunternehmer zwischen 1898 und 1901 die Teilabschnitte der Schwebebahn durchführten. Die für die damalige Zeit dreizehn Kilometer Strecke mit futuristischen Träger durfte in jenen Jahren in Betrieb kommen; damit ein Komfort der besonderen Art von den dort wohnenden Bürgern genutzt werden konnte. Wer auf eine solch Idee gekommen war und was ihn motiviert hatte, möchte ich in diesen Zeilen so kurz wie möglich erzählen, denn es handelt sich hier um eine technische Umsetzung in der Ingenieurwissenschaft und einen technologischen Fortschritt.
Carl Eugen Langen (1833-1895), Ingenieur, Maschinenbauer und Erfinder, versuchte immer, originelle Lösungen für betriebliche Probleme zu finden. Mit übergeordneten Kenntnissen von Technik, Motoren und Unternehmen schlug bei Langen schon im jungen Jahren dank seines Ehrgeizes das Herz eines Erfinders. Mit vierundzwanzig Jahren unterstützte er das Familienunternehmen, eine Zuckerfabrik in Köln. Dort experimentierte er mit der Vereinfachung der Produktionsmethoden, aber ein paar Jahren später gründete er weitere Firmen mit der Absicht Motoren zu produzieren; bei dieser Initiative arbeitete er auch mit Gottlieb Daimler.
Bei seiner Tätigkeit im Familienunternehmen versuchte Langen, die Leistung der Produktion zu optimieren, dabei merkte er, dass einige Arbeitsgänge mangels Fläche Änderungen unterworfen waren. In diesem Fall musste er so günstig wie möglich in der Zuckerfabrik Material transportieren, ohne zusätzliche Mannstunden-Kosten zu verursachen und ohne vorhandene Flächen zu reduzieren. Unter diesen Voraussetzungen kam er auf die Idee eine Hängende Seilbahn zu bauen, die zudem wenig Energie verbrauchte und auf zwei Ebenen funktionierte.
Das in der Fabrik gelungene Transportmittel motivierte ihn, seine Erfindung weiter zu entwickeln, so dass er an ein Schienentransportsystem arbeitete um Verkehrsmittel Probleme der Dörfer an der Wupper zu lösen. Bei der statischen Berechnung stoß er auf neuartige technische Hindernisse, denn durch die Geschwindigkeit und Beschleunigung einschieniger Bahnen entsteht ein Pendeleffekt, der die Träger rechts und links einzigartig belastet. Eine weitere statische Schwierigkeit war in diesem Fall die Schiene an sich, denn bei dem einschienigen System ist sie nicht nur Richtungsfahrbahn sondern auch Träger, also das Element, auf dem die Last optimal verteilt sein sollte, und, das auf Fahrdynamik und Schwingfrequenz der Wagen überprüft wird.
Schließlich entschied sich Langen, bzw. später die Baugesellschaft, für den Rieppel-Träger (patentiert von Maschinenbauingenieur und Statiker Anton von Rieppel), dessen Stützen einem Zirkel ähneln, und berücksichtigte seine Breite für die Strecke über der Wupper; insgesamt 16 Haltestellen. Die Landstrecke wurde mit den Bogenträger entworfen, welche inzwischen gegen neuen ausgetauscht wurden (Siehe Cover dieses Artikels), und die gesamte tragende Struktur benötigte ca. neunzehn Tonnen Stahl und Eisen. Das anspruchsvolle
Fachwerksystem konnte allerdings nicht simuliert werden und dementsprechend war es statisch nicht erfassbar. Jedoch führte Langen die Simulationen in der Halle einer seiner Fabriken in Köln-Deutz durch und zwar erfolgreich. Ein weiteres Problem, das zusätzlich hin kam, war der Lichtmangel während der Fahrt. Dadurch dass sich über die Schienen ein Dachgerüst befindet, bleibt die Sicht des Fahrers relativ dunkel. Das Hindernis wurde nicht als Erstes bewältigt, denn die Entwicklung und ordnungsmäßige Vorstellung seiner Erfindung waren für ihn wichtiger.
Im Jahr 1887 stellte Carl Eugen Langen dem Bauamt der Städte Barmen und Elberfeld seine revolutionäre Erfindung vor: die Schwebebahn. Der erfahrene Ingenieur und Maschinenbauer war überzeugt, dass sein Projekt als richtige Lösung für die Personenbeförderung an der Wupper infrage käme und dass das Vorhaben der Bauämter, eine Hochbahn zu bauen, eine viel teure Alternative sei. Befürworter und Gegner seines Vorschlags analysierten sieben Jahre lang Vor- und Nachteilen und verhandelten auch mit künftigen Investoren des Projekts. Bis zum Winter 1894/95 hatten die Stadtverwaltung und Bauamt beider Städte reichlich Firmen für den Bau gewonnen; unter anderen: die Elektrizitäts-AG, die Continentale Gesellschaft und die Düsseldorfer Regierung.
Für spezifische Konstruktionen waren die Mechanischen Werkstätten Harkort & Co., und die Union-AG für Eisen und Stahlindustrie auch beteiligt und den Bau von Bahnhöfen, die Trassierung und die gesamte Planung der Strecke übernahm die Firma MAN-Werk-Gustavsburg. Unglücklicherweise starb Carl Eugen Langen im Herbst 1895 und konnte den Baubeginn – drei Jahre später - nicht erleben; sein Traum die „Schwebebahn“ im großen Maßstab als Verkehrsmittel blickte er bedauerlicherweise mit eigenen Augen nicht. Die Wuppertaler Schwebebahn ist einmalig auf der Welt, war in der Bauphase von Kaiser Wilhelm II mit einer Jungfernfahrt am 24 Oktober 1900 eingeweiht worden, wurde in Betrieb am 01 März 1901 gesetzt und steht seit dem 26 Mai 1997 unter Denkmalschutz.
Letztendlich ist aus Langens Vorhaben eine Lehre zu ziehen, nämlich, die Zielstrebigkeit und Überzeugung, um sein Projekt realisieren zu lassen. Gleichzeitig hat er uns ein Werk hinterlassen, dessen architektonisches Aussehen eine Mischung aus Bauhaus und Industriestil ist und dessen Formen, Material, Struktur, Symmetrie, Details und Technologie sich in ein harmonisches Gesamtbild verwandeln. Aber mit Sicherheit war der Zeitpunkt der Baudurchführung das Wichtigste an dieser Erfindung. Es geschah gerade im Jahrhundert-Einbruch, für viele bedeutete es den Neubeginn und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft; für die Wuppertaler den Erhalt des Stadtwahrzeichens.