Auf unserer Rundschau bedrohter Kunstwerke bzw. auch welcher, die teilweise abgeschafft wurden, werde ich unter diesen Linien noch weitere Bauten beschreiben, deren Schicksal – nicht bei allen – noch nicht entschieden ist. Gebäude, Plätze und Denkmale, deren höchste Kunstqualität und historische Bedeutung beweisen, sind gegenwärtige Stoff für Konflikte.
Ein Wunder der Technologie ist die Hängebahn in Wuppertal aus dem Jahr 1900. Das Bauwerk war damals mehr als eine Sensation, dank des Entwurfs von Ingenieur und Erfinder Eugen Langen, der eine Bahnstrecke der anderen Art im Deutschen Reich bauen wollte. Die Trasse zwischen Barmen Bf und Vohwinkel (Depot) entspricht dreizehn Kilometer, zweiundzwanzig Stationen und zehn Kilometer Wasserstrecke. Da sie parallel zur Bundesbahntrassierung verläuft, kann man die schrägen Stahlträgerprofile und den Fahrweg aus den Zügen erkennen. Kaiser Wilhelm II war an dem Projekt sehr interessiert und nahm an Probefahrten teil. Im Oktober 1900 wurde Langens erste Schwebebahn durch das kaiserliche Paar eingeweiht. Seit Ende der 1990er Jahre steht die Bahnstrecke unter Denkmalschutz. Letzteres garantiert nicht, dass neue Modernisierungen, meist durch politische Absichten manipuliert, infrage kämen und einen Teil - oder eine gesamte Veränderung des Denkmals – geprüft wird.
Das war der Fall bei einem der schönsten Bahnhofsgebäude überhaupt; der Stuttgarter Hauptbahnhof. Der Entwurf vom Architekturbüro Paul Bonatz und Friedrich Scholer aus dem Jahr 1910 war der Durchbruch für das Duo, das auch noch weitere Projekte in Zeiten der Weimarer Republik ausführte; beispielsweise: die hannoversche Stadthalle (Kuppelsaal). Die architektonische Perfektion des Stuttgarter Hauptbahnhofs, die breiten Flure und Treppen, der Zugang zur großen Schalterhalle, geben uns den Eindruck als würden wir die Innenflure des Berliner Olympiastadions durchqueren. Die Bauphasen dauerten von 1914 bis zur endgültigen Abgabe im Jahre 1928. Die Fassade, vollständig aus Steinblöcken, und der Turm, der im ersten Design vorne geplant war, wirken wie einen Ritterburg mitten in der Stadt. Die Monumentalität der Bauten machten aus dem Architekt Paul Bonatz einen Referenten, denn die Kopfbahnsteighalle wurde von den Stuttgartern auch Bonatzbau genannt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude beschädigt und blieb längere Zeit ohne Dach, wurde dann aber relativ zügig wiederaufgebaut. Der Umbau des Bahnhofs bzw.
Ausschreibungen für das Projekt, liefen bereits in den 90er Jahren, jedoch war der Stuttgart Hbf seit 1987 ein Kulturdenkmal nach Grundlage des Denkmalrechts des Landes Baden-Württemberg. Der neue Bahnhof sollte vom Prinzip ein Durchgangsbahnhof mit unterirdischen Anlagen werden, dafür war der Abriss des Nord- und Südflügels des historischen Gebäudes nötig. Im Jahr 2010 wurde, unter massiven Protesten der Stuttgarter, der Nordflügel abgerissen. Die Bürgerinitiative kämpfte weiter und ging sogar legale Wege, um den Abriss des Südflügels zu verhindern, was dennoch im Januar 2012, trotz rechtlicher Schritte, begann.
Ein ähnliches Schicksal bedroht seit Jahren das Bismarckdenkmal in Hamburg. Der Entwurf von Architekt Emil Schaudt und die fünfzehn Meter hohe Figur vom Bildhauer Hugo Lederer krönen eine meisterhafte Leistung der Plastik, dessen Enthüllung im Juli 1905 stattfand. Hugo Lederer entschied sich für eine Skulptur mit einem Hauch Art Deco und großem ästhetischen Reiz, denn Otto von Bismarck steht als Roland auf einem Rundraum mit acht Relieffiguren und einen beeindruckendem Schwert. Zu Bismarcks Füßen stehen rechts und links zwei Adler. Vandalismus, Albernheit und Unwissenheit über die geehrte Persönlichkeit skalierten, bis der ganze Sockel, inklusive des Rundraums, mit Graffiti verschmiert wurde. Durch die Witterung war Wasser in die Innenräume und die Fugen der Figur eingedrungen, dies verursachte, dass im Sockel eine gewisse Neigung entstand. Seit 2020 wird der Platz und das Denkmal restauriert. Ein weiteres architektonisches Werk überlebte wie ein Wunder den totalen Abriss; die Ordensburg Vogelsang.
Den Komplexauftrag erhielt der Architekt Clemens Klotz und kam als Schulungslager der NS-Zeit in Betrieb. Zwischen Ausschreibung und Schlüsselabgabe des Lagers lagen drei Jahre. Obwohl die Planung noch eine gigantische Bibliothek und ein Hotel mit zweitausend Betten beinhaltete, wurden die Bauarbeiten zu Anfang des Krieges, 1939, eingestellt. Insgesamt hat der Schulungskomplex eine bebaute Fläche von fünfzigtausend Quadratmeter, liegt auf einem 100 Hektar Grundstück und war für tausend Personen ausgelegt. Der Komplex beinhaltet viele Gebäude; Empfangsräumlichkeiten, Aufenthaltsräume, Schlafräume, Kameradschaftsräume, eine im freien liegende Veranstaltungsbühne mit Parkplatz, ein separates Haus für die Unterbringung weiblicher Bediensteter und eine spezielle Sportanlage mit Schwimmbad, Fußballfeld und Tribüne. Alle Gebäude wurden mit 70 Zentimeter breiten Natursteinen verbaut, was aus der Ferne den optischen Eindruck einer modernen mittelalterlichen Abtei verleiht. Clemens Klotz ließ sich etwas Besonderes für dieses Projekt einfallen und zwar den Turm. Am Ostflügel des bebauten Komplexes ist er angebracht und ragt bis auf achtundvierzig Meter hoch. Der Blick von der obersten Plattform in die Natur und über den jetzigen Denkmalbereich ist beeindruckend. Als der Zweite Weltkrieg anbrach, zogen deutsche Truppen in die Anlage ein. Im Jahr 1946 übernahm das Britische Militär das Gelände und während dessen Aufenthalt plante es den Abriss. Dank eine Änderung bei dem Verbleib der britischen Kommandantur, es musste der belgischen Militärverwaltung übergeben werden, wich das heutige Denkmal, wie eine prädestinierte Wundertat, dem Vernichtungsurteil aus und blieb erhalten. Architekt Clemens Klotzs Meisterwerk, Vogelsang, wird ohnehin Thema meiner Recherche. Eugen Langen, Paul Bonatz, Friedrich Scholer, Emil Schaudt, Hugo Lederer und Clemens Klotz, wie auch anderen vergessenen Persönlichkeiten, werde ich in diesem Jahr weitere Artikel widmen.