Die Informationen, die ich Ihnen in diesem Artikel niederschreibe, sind Vermutungen und Mutmaßungen, welche das Resultat meiner Forschungen sind. Sie beinhalten Angaben aus öffentlichen Dokumente und historischen Bücher, aber auch Zeitzeugenaussagen, die die goldenen Zeiten eines untergetauchten Landes erleben durften. In diesen Zeilen werde ich mich mit einigen Werken Otto Lessings und deren unerklärbaren Verschwindens in Berlin befassen. Es ist allerdings nichts Neues, denn auch Skulpturen anderer Künstler wurden während des Ersten Weltkriegs und des Kalten Kriegs entweder entfernt oder durch Andere ersetzt. Allerdings sind diese Lessings Werke nie wieder gefunden worden. Auch wenn noch weitere Kunstwerke aus der gleichen Zeit in einer Nacht und Nebel Aktion verschwanden, wurden sie wieder gefunden oder geortet; z.B. die Skulpturen aus der Siegesallee und Leninskopf von Nikolai Tomski. Warum aber ausgerechnet Lessings Werke bis jetzt nicht auftauchen und falsche oder keine Informationen, sogar Mythen sie umringen, ist noch ein Geheimnis.
Erstmal möchte ich den Herkulesbrunnen (1903) auf dem Lützowplatz in Berlin nennen, dessen Gestaltung Prof. Otto Lessing ausgeführt hatte, denn er wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und letztendlich beseitigt. Da der Brunnen aus Marmor geschaffen wurde, ist es nicht so wirklich klar, ob er tatsächlich so einfach in eine Mülldeponie hätte entsorgt werden können. Bilder nach der Zerstörung belegen, dass große Teile der unteren Skulpturen nicht vollständig zerstört waren.
An zweiter Stelle möchte ich den Rolandbrunnen benennen. Dieses Werk stammt nicht hundertprozentig von Lessings Händen. Er hatte den Sockel mit Reliefs entworfen, aber eine Frist erlaubte ihm nicht, die Rolandskulptur zu erschaffen. So beauftragte er dafür die norwegische Firma Gudes. Aus vielen Geschichtsbüchern und Archiven lässt es sich verstehen, dass Lessing Autor des ganzen Werks sei. Tatsächlich, bis auf die Rolandskulptur, dessen Autor unbekannt ist, leistete Lessing eine, damals nicht gewöhnlich interessante Arbeit, deren Pointe die angebrachte Farbe bei den Sockeln und Becken war. Auch wird über ein altes Wappen gesprochen, deren Untergrund emailliert war. Was mit den Reliefs und Sockeln passierte ist auch nicht bekannt. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie zwar beschädigt, aber nicht zerstört. Der massive quadratische Brunnenstock war nicht einfach zu vernichten, genauso wie die, auf den Füßen des Rolands, aus Eisen, hohen gegossenen Reliefs. Laut Zeugenaussagen lagen die Überreste bis in die 1950 Jahre herum. Auch wenn die Rolandfigur fast komplett vernichtet war, waren Säulen, Becken und angebrachte zweidimensionale gegossene Skulpturen glücklicherweise nur verrußt. Das bestätigen historische Bilder. Die Frage an dieser Stelle wäre, wer hat sie mitgenommen. Man kann sicherlich Trümmer von einem intakten Eisenrelief unterscheiden.
Das Preußische Herrenhaus, dessen Neubau zwischen 1899 und 1904 durchgeführt wurde, enthielt im Entwurf ein Attika Dach, dessen Figuren der Institution entsprechen sollten. Den Auftrag erhielt Prof. Lessing und wurde genau 1904 fertiggestellt. Die Institution Herrenhaus, gleichwertiges House of Lords, war im Grunde genommen keine Wahlkammer, die Mitglieder allerdings waren der Geist des deutschen Kaisertums, insbesondere Familien und Unternehmer; generell der Adel. Über die Thematik der Attikafiguren hat man weniger Informationen. Das Attikageschoss, wie man auf Bildern sehen kann, ist nicht nur imposant, sondern hat auch eine besondere Höhe und wenn man die Höhe der Skulpturen dazu rechnet, kommt man auf ein ganzes Geschoss. Insgesamt erschuf Lessing acht Figuren: drei an der Spitze der jeweiligen Flügelseiten, rechts und links, und zwei an der Frontfassade über dem dreieckigen Relief. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Fassade des Gebäudes in geringem Ausmaß beschädigt. Die Dachtrümmer (vermutlich auch die Attika Dachreste und Lessings Figuren) wurden während der DDR Diktatur laut Archivinformationen im Gebäude gelagert. In den 1990er Jahren, als das Haus für den neuen Sitz des Bundesrats renoviert wurde, wurde kein Bestandsverzeichnis veröffentlicht. An dieser Stelle bleibt die Frage auch offen, ob die Überreste der Figuren in DDR Zeiten oder nach der Wende hätten irgendwo anders hin abtransportiert werden können.
Zum Abschluss möchte ich die Wandbrunnen des Neuen Marstalls in Berlin Mitte benennen (siehe Der vergessene Hofbaumeister des Kaisers, 15. Dezember 2021). Die von Prof. Lessing angepassten Wandbrunnen waren in Wirklichkeit an der Monumentalität des Neptunbrunnens orientiert, der gerade vor dem Gebäude platziert war. Lessing leistete auch die Dreieckreliefs an der Hinterfassade des Hauses, die sogenannte Spreefassade, und wollte natürlich mit seinen Wandbrunnen dem Gebäude einen besonderen Hauch verleihen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Fassade des Hauses nicht so schwer getroffen, die Spreefassade ebenso wenig, so dass eine Restaurierung und sogar eine Erweiterung in drei Gewölbebögen durchgeführt wurde. Allerdings wurden die Wandbrunnen ausgerechnet durch Reliefs DDR kommunistischer Botschaft ersetzt. Das mysteriöse Schicksal dieser beiden Kunstwerke führt uns zu vielen Fragezeichen. Fakt ist, dass sie nie wieder gefunden wurden. Ersetzen heißt nicht vernichten, vor allem wenn man weiß, dass die zweidimensionalen Skulpturen von Prof. Lessing stammten. Eine logische Vermutung bringt die Wahrheit nicht ans Licht, denn die Dreieckigen Reliefs der Flussfassade, die auch von Lessing stammen, wurden nicht ersetzt und entsprechen der gleichen Thematik. Griechische Mythologie. „Prometheus und die Okeaniden“ auf der linken Seite und „Perseus und Andromeda“ auf der rechten, sind mit Sicherheit begehrte Stücke für Kunstsammler oder Prof. Lessings wahren Kunstverehrern. Sollten sie wieder auftauchen, erwarten wir, dass sie in deren ursprüngliche Nischen zurückkehren.