Hegel bemerkte irgendwo, dass sich alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sozusagen zweimal ereignen. Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.
(Karl Marx)
Trumps erste Amtszeit war eine Farce. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass seine zweite eine Tragödie wird. Eine umgekehrte Reihenfolge vermutete Marx im Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte.1 Donald Trump gewann die Präsidentschaft mit 2.5 Millionen Stimmen mehr als Kamala Harris, dazu noch eine Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus. Wie ist es möglich, dass die U.S. Wahl von einem erstinstanzlich verurteilten Kriminellen – mit mehreren anhängigen Strafverfahren –, einem Milliardär, vulgären Sexisten, erklärten Rassisten und grobem Rechtspopulisten deutlich gewonnen wurde?
Meines Erachtens sind die Gründe Varianten derselben Ursachen, welche in Europa die rechtsextremen Parteien so stark werden lässt: Die Hälfte der Amerikaner, die große Mehrheit der weniger Gebildeten, eine Mehrheit der Frauen, Jungen und Weißen sowie ein größerer Anteil an Asiaten, Latinos und Schwarzen als je ein früherer republikanischer Präsidentschaftskandidat gewonnen hat, sie alle wussten, wer Donald Trump ist, und haben ihn genau dafür gewählt. Kamala Harris nannte Trump einen Faschisten, was er auch ist, aber seinen Wählern war anderes wichtiger. Unsicherheit stärkt die Sehnsucht nach autoritären Figuren und einfachen Ansagen, auch führt sie nicht zu Verzweiflung, sondern zu Verbitterung.
Das Ergebnis der U.S. Wahl war eher eine Niederlage der Demokraten – die heftigste seit Jahrzehnten – als ein Triumph der Republikaner. Die Gebildeten und Wohlhabenden tendieren seit langem zu den Demokraten, aber die unteren Einkommensschichten zu den Republikanern. Sie haben Abstiegsängste und sind besorgt, verzagt, verärgert, unzufrieden mit dem Stand und der Richtung der Dinge. Überwältigt, wollen sie rückwärtsgewandte Veränderungen, haben aber kein Vertrauen mehr in Demokratie oder zögerliche Politiker. Sie mögen einfache Sprache und simple Lösungen. Trump bot ihnen richtig was: Niederbrüllen der realen Probleme, Rache an den liberalen Eliten, Rückkehr in eine Normalität, welche ihnen auch die Demokraten versprachen, aber nicht liefern konnten.
Bidens Wirtschaftspolitik hat der Arbeiterschaft und Geringverdienern zwar geholfen, aber ihre wirtschaftlichen und kulturellen Sorgen wurden von den führenden Demokraten nicht verinnerlicht. Stattdessen belehrten sie die einfachen Leute, oder beschimpften sie gar. Trump und die Republikaner wurden nicht gewählt, weil sie eine sozialere Politik versprachen, oder weil sie ankündigten die Werktätigen besser zu stellen, Städte sicherer, Wohnungen bezahlbarer das Land gerechter zu machen, oder weil sie es sich auf Fahnen geschrieben hätten, die Spitzensteuern zu erhöhen. Nein, Trump zu wählen war ein Götz von Berlichingen Gruß an die Eliten, Experten und Woken, einschließlich der Vegetarier. Die Tragödie ist, dass Bidens Wirtschaftspolitik langsam Früchte trägt, aber die Regierung Trump mit ziemlicher Sicherheit nur den Reichen nützen wird. Importzölle bringen keine Arbeitsplätze zurück, sondern heizen die Inflation an.
Steuersenkungen helfen Unternehmen sowie Aktionären und sofern sie überhaupt zu höheren Investitionen führen, wird dies vornehmlich die Automatisierung beschleunigen und den Technologiesektor stärken. Kein Trost ist es, dass sich Trumps angekündigte "Säuberung" des öffentlichen Dienstes, Gleichschaltung der richterlichen Gewalt und Schwächung von Rechtssicherheit und Institutionen mittelfristig – wenn es zu spät ist – als Eigentor erweisen wird. Die Demokraten hatten weder den Mut noch die intellektuelle Kraft, mit überzeugenden Alternativen zu Trumps Geplärr aufzutreten, oder zu der Grundstimmung, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegte. Sie hatten keine einleuchtende Antwort auf die spürbaren Folgen der ökologischen Krise, der sicherheitspolitischen Krise, der Finanzkrise, des gelähmten Staates, der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich, der ökonomischen Transformation und den enormen Herausforderungen von Migration und Integration.
Kurz, die Demokraten schwiegen lautstark zu den Polykrisen, die sich seit Corona und Russlands Aggression beschleunigen, vom planetaren Notstand gar nicht erst zu reden. Ihnen fiel nichts Besseres ein als zu signalisieren, dass sich für niemand etwas ändern muss, weil das Verstellen einiger Stellschrauben ausreicht. Die Leute spürten, dass das nicht stimmen kann. Sie wendeten sich von den Demokraten ab und den Rechtspopulisten zu. Verwunderlich ist das nicht.
Die kommenden vier Jahre werden die Welt für Jahrzehnte prägen, vielleicht gar für Jahrhunderte. Trump wird die Welt teuer zu stehen kommen. Globale Initiativen – Klima, Artenschutz, Rüstungskontrolle, Freihandel – werden zusammenschrumpfen. Vor allem in allem Europa werden sich riesige Finanzlücken auftun und enorme politökonomische Herausforderungen entstehen. Seine Steuergeschenke wird er durch Einsparungen bei der Energiewende finanzieren und die Förderung fossiler Energien intensivieren. In Trumps erster Amtszeit wurden die USA zum größten Ölproduzenten der Welt, vor Russland und Saudi Arabien, deren Rückstand weiter wächst. China wird von Trumps Aggressivität und Unberechenbarkeit profitieren. Europe muss sich warm anziehen.
Anmerkungen
1 Karl Marx, “Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte”, 1852; Kapitel I.