In unseren modernen Zeiten, in denen der christliche Glaube für viele zunehmend an Bedeutung verliert oder nach eigenen Regeln und unzweckmäßig praktiziert wird, wird der wahre Sinn der Reliquienverehrung abgewertet. Dieses Phänomen, erweckt von Schweigen über Skepsis bis hin zu Verspottung derer, die tatsächlich nicht glauben. Seit dem vierten Jahrhundert hat die Haltung der Christen gegenüber den Reliquien, dank der heiligen Helena, ein anderes Ausmaß erhalten.
Helena, geb. im Jahr 250 n.Chr. am Bosporus (zwischen dem Marmarameer und dem Schwarzen Meer, in der heutigen Türkei), im römischen Reich, war die Mutter von Kaiser Konstantin, der im Jahr 306 n.Chr. römischer Kaiser wurde und bis 337 regierte.
Während seiner Regierungszeit förderte er durch die sogenannte „konstantinische Wende“ das Christentum, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die teilweise für die Verfolgung waren, in dem er Christen – und generell alle Menschen - durch das Edikt von Mailand Religionsfreiheit gewährte. Auch wenn Konstantin sich nie offiziell zum Christentum bekannte, ist es durchaus vorstellbar, dass er gläubig war, denn er ließ sich am Sterbebett vom Bischof Eusebius von Nikomedia taufen und zuvor kümmerte er sich um eine christliche Erziehung seiner vier Söhne Crispus, Konstantin II, Constantius II (später Nachfolger im Osten) und Constans. Dabei werden all diese Fakten Helena zugeordnet; sie ließ sich im Jahr 306 n.Chr. nach Konstantins Ernennung zum Kaiser taufen und war angesichts der Geschichte eine überzeugte Christin, wobei sich Konstantins Neigung zur Duldung des Christentums im Imperium Romanum erklären lässt. Aber warum ist die heilige Helena so wichtig, nicht nur für die katholische, sondern auch für die evangelische und orthodoxe Kirche.
Nach dem sie ca. im Jahr 306 n.Chr, in Augusta Treverorum (heute Trier, Deutschland), ihr neues Zuhause bezog, entschied sie sich, christliche Reliquien aus dem Osten zu holen, viele davon sind bis heute der Grund einer Pilgerreise. Ihr war bewusst, dass die Überbringung dieser Gegenstände und Überreste (vom Ersten bis Dritten Grad) in den Westen vor Kriegen und Konflikten der Region schützen könnte und als Bereicherung des Glaubens wirken würde. Im westlichen Reichsteil waren die christlichen Gemeinden viel jünger als im östlichen und zudem die Zahl der Gläubigen viel niedriger.
Helena nahm die Herausforderung im Sinne von einer Art Evangelisierung an, sie ließ sich von Mut und Vertrauen tragen, informierte sich über konkrete, heilige Stellen und startete eine Reise ins ferne Jerusalem. Zweck der Reise war das Heilige Kreuz, auf dem Jesu gekreuzigt wurde, zu retten.
Bei ihrer Ankunft überzeugte sie Bischof Makarios von der wahren Lage des Golgotas und dem nicht weit entfernten Grab Jesu Christi (das Ereignis ist Thema für einen weiteren Artikel, um genauer zu erklären was mit dem Golgatha-Berg, Ort der Kreuzigung Jesu, in jenen ersten drei Jahrhunderten geschah).
Mit der Genehmigung des Bischofs fing die Truppe Archäologen an, die Ausgrabungen durchzuführen; mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass sich unmittelbar außerhalb der ehemaligen alten Mauer der Stadt, die Überreste des Heiligen Kreuzes befanden. Weiterhin entdeckte das Ausgräber-Team direkt gegenüber das Grab, in das Jesu gelegt wurde, worauf die Grabeskirche vom Kaiser Konstantin errichtet wurde. Allerdings ist es laut Historikern umstritten, ob die auf der stadtauswärtigen Seite tatsächliche Grabstätte authentisch sei, denn die Stadtmauer Jerusalems wurde bis zum vierten Jahrhundert sogar zweimal umgebaut.
Aber wie entstand der Reliquienkult im christlichen Glauben und aus welchem Grund sind Millionen Christen jedes Jahr auf Pilgerwegen unterwegs? Der Grund, wie er entstanden ist, liegt nicht an einer Erfindung der Christen, sondern an den Erlebnissen der ersten Gläubigen, noch in Zeiten Jesus.
Der Apostel Matthäus berichtet in seinem Evangelium (Siehe; Mt.9, 20-22) über die Heilung einer Frau, die in der Menschenmenge den Saum Jesus Gewandes berührte. Ihr Glaube habe gereicht, sagte ihr Jesu. Viele Kritiker, unter anderem Martin Luther, beschreiben die Haltung der Katholiken gegenüber den Reliquien als die Erwartung eines magischen Ereignisses, was vollkommen übertrieben wäre. Die Kirche erklärt die Reliquienfrömmigkeit und die daraus gewordenen Wunder damit, vor allem im Mittelalter, dass sie dem Gotteswillen entspricht, d.h. Gott lässt ein Wunder geschehen, durch die Fürbitte einer Reliquie. Beispiele gibt es viele, vom Schatten Sankt Petrus (Siehe; Apg. 5, 12-15 ) bis zu Gianni Vecchio, dem ehemaligen Friseur von Sankt Johannes Paulus II, dessen Diagnose bei einem Nachweis auf einmal verschwand. Letzterer erfuhr die Heilung nicht durch eine Reliquie, aber er selbst aufgrund seines Berufes, Friseur, berührte regelmäßig die Haare des damaligen polnischen Kardinals Karol Wojtyla viele Jahre zuvor in Rom.
Nach der Auffindung des Heiligen Kreuzes und bevor sie nach Trier zurück kehrte, spürte Helena bereits zahlreiche Gegenstände auch in Bethlehem auf, deren Bedeutsamkeit für die christlichen Gemeinden in westlichen Gebieten des Reiches deutlich groß sein würde. Unter anderem ließ sie die Gebeine des Apostels Matthias vom Bischof Agritius nach Trier überführen. Sie befinden sich in der Basilika St. Matthias der Trierer Benediktiner Abtei und sind seit dem Mittelalter das Wallfahrtsziel vieler Pilger.
Nach dem Tod Helenas, im Jahr 330 n.Chr. wurde ein Mausoleum in Rom errichtet, dennoch ruhen ihre Reste in der Kirche Santa Maria in Aracoeli in Rom und im Trierer Dom. Katholiken und Orthodoxe verehren sie als Heilige und sind seit Jahrzehnten dankbar, dass Reliquien wegen ihrer Eigeninitiative vor Plünderungen, Kriegen, und deren Folgen geschont blieben.