Das Buch war für bildende Künstler seit jeher ein Faszinosum. Ob als Gefäß, das Inhalte umschließt, als Objekt jenseits von Wort und Bedeutung, als hermetisches Medium, das mit bildnerischen Mitteln dekonstruiert werden kann oder als Malgrund, der mit ornamentalen Lettern und Figurationen bedeckt werden kann. Der vermeintlich fundamentale Widerspruch zwischen Bild und Text - das eine ästhetische Konfiguration, die auf einen Blick erfasst und entschlüsselt werden kann, das andere narrative Struktur, die sequentiell decodiert werden muss, um ihre Qualitäten auszuspielen - ist gleichzeitig eine Triebkraft in der wechselseitigen Befruchtung der beiden künstlerischen Ausdrucksformen. Die Kunst kann unter dem Einfluss des Buches / der Buchkultur eine erzählerische Dimension entwickeln, das Textkonvolut im Banne bildhafter Darstellungsformen eine ästhetische Dimension, die vielleicht eine ganz andere Geschichte erzählt, als die Buchstaben, die in ihm geborgen / verborgen sein mögen.
Books + Papers II setzt eine Ausstellung aus dem Jahr 2015 fort und zeigt mit einer anderen Künstlerliste neue Facetten im Verhältnis von Text und Bild, oder wenn man es strukturalistisch ausdrücken will, von Signifikant und Signifikat: Das Spektrum reicht von Arbeiten in der Tradition der konkreten Poesie bis zu Werken im Stil der Buchmalerei, die den Zauber des Archaischen verströmen. Dann gibt es Artefakte, die mit zeichnerischen Mitteln die Rolle der Fotografie als Dokumentationsinstrument thematisieren und klassische Öl-auf-Leinwand-Malerei, die Last und Lust der Bibliophilie aufgreift.
Books and Papers: In diesem Spannungsfeld spielt eine Dialektik der Welterfassung und gleichzeitig der Weltverlorenheit: Die ästhetische Appropriation des bedeutungstragenden Artefakts spielt auf verschiedenen Klaviaturen, die eine visuelle Polyphonie mit gelegentlichen Dissonanzen erzeugen. BOOKS + PAPERS || mischt Ironie und strenge Konzeptualität, klassizistische Erhabenheit und anakreontisches Spiel, sublime Überhöhung und dann wiederum grotesken Formzerfall. Im durchaus konfliktreichen Zusammenspiel und auch im ästhetischen Widerspruch, in der Aktivierung unterschiedlicher zerebraler Areale und im sinn- und begriffslosen Staunen und Schaudern entfalten sich die Potentiale existentieller Teleologien, die auf das Absolute zielen und im Verfehlen das Maß des Menschlichen begründen. "Lesen heißt durch fremde Hand träumen" schrieb einst der portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa. Man könnte die Formulierung auch umdrehen: In der Betrachtung von Kunst träumen, heißt durch fremde Hand lesen.