Die König Galerie freut sich, mit Circus Empire eine großformatige Installation mit neuen Skulpturen und Wandarbeiten der in Los Angeles lebenden Künstlerin Kathryn Andrews anzukündigen.
Andrews' Arbeit untersucht die Geschichte kultureller Dominanz und legt offen, wie latente oder normalisierte soziale Machtstrukturen unsere Kultur beeinflussen. In ihre Skulpturen und 2D-Arbeiten fließen oft Bilder und Artefakte der hegemonialen Kulturproduktion ein, seien es Massenmedien, kommerzielle Produkte, Werbung, die Unterhaltungsindustrie oder Zitate aus der kanonischen westlichen Kunstgeschichte. Andrews verwendet die Strategien der Pop-Art und des Minimalismus, um diese Produktionsmodi zu hinterfragen und um aufzuzeigen, wie mittels einer Ästhetik der Bildpräsenz und Materialität unsere Wahrnehmung und damit die Konsumtrends beeinflusst werden.
Im Zentrum der Installation steht ein riesiges, maßgeschneidertes Zirkuszelt, das die Ausstellung einerseits beinhaltet und andererseits auch besetzt und das die historische Architektur der Galerie verschleiert. Das 7,5 m hohe Zelt versperrt den Blick auf die überwältigende Vertikalität des ehemaligen Kirchenschiffraumes. Von außen gesehen ist das Zelt sofort als Tropus der Freude und Ausgelassenheit zu erkennen, während man im Inneren eine dunklere oder zumindest ambivalentere Umgebung vorfindet.
Bis auf eine sind alle Arbeiten Andrews‘ im Inneren des Zeltes installiert: insgesamt vier Skulpturen und fünf Diptychons als Tondos, die jeweils den Titel Wheel of Foot in Mouth tragen und sich auf den Akt unhöflicher Konversation beziehen. Diese über den gesamten Raum verteilten interaktiven Arbeiten zeigen verschiedene Bilder von Gesichtern oder Büsten, von denen einige aus den Archiven der Antikenmuseen und andere futuristische Modelle aus freien Internetquellen stammen. Jedes der in zwei Ebenen konstruierten Räder hat eine verstellbare untere Ebene, die so gedreht werden kann, dass eine wechselnde Abfolge von Bildern und Phrasen durch Löcher in der Oberfläche der oberen Schicht erscheint. Je nach Position der Rückwand werden simple Fragen oder Aussagen wie z.B. Haben Sie eine Einladung erhalten? oder Sie erinnern mich an meine(n) Ex. zusammen mit Bildern von Kronen oder Handgranaten sichtbar und suggerieren so auf spielerische Art ein Gespräch, das die unbelebten Gesichter miteinander führen. Dabei wählen sie aus einer begrenzten Anzahl von vorbestimmten Phrasen, ganz so als ob sie eine rudimentäre oder primitive Form der künstlichen Intelligenz besäßen.
Eine markante Skulptur aus einem mit Fundstücken gefüllten Plexiglaskäfig begrüßt die Besucher in der Nähe des Zelteingangs. Die Arbeit zeigt ebenso einen Kopf, in diesem Fall mit einer Plastikmaske des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon. Diese ist aber wiederum nur ein Teil eines großen Sortiments von ausgestopften Tieren und zertifizierten Filmrequisiten, die die Vitrine füllen, ähnlich wie Spielzeug einen Greifautomaten in einer Spielhalle füllt. Der Titel der Skulptur enthält eine lange Liste amerikanischer Filmnamen, die sich auf die Filme beziehen, in denen die Requisiten verwendet wurden, wie z.B. Point Break, ein Spielfilm aus dem Jahr 1991 über eine Gruppe von Surfern, die bei ihren Bankrauben Masken von amerikanischen Ex-Präsidenten trugen. Auf locker assoziative Weise erzählt von Korruption und Gier, von staatlich sanktionierter Gewalt und Kolonialismus bis hin zu persönlicher Torheit. Auch hier kreiert Andrews eine komplexe Mischung aus Botschaften, die einerseits die Aufgeregtheit von Freizeitparks und den Hollywood-Glamour thematisieren und andererseits auf die Korrumpierung des amerikanischen Traums und eine Verbreitung von Kitsch hinweisen, der die amerikanische Popkultur prägt.
Einen letzten Auftritt haben die Köpfe in Encounter, einer überlebensgroßen Skulptur bestehend aus zwei riesigen schwarzen Wachsbüsten, die sich auf einem Betontisch gegenüberliegen. Während sie ruhend und nahe genug beieinander zu sein scheinen, um ein Gefühl der Intimität zu vermitteln, sticht aber ein großes Stahlrohr durch ihre beiden Stirnen. Dies fügt der Kopplung einen ominösen Beigeschmack hinzu und erweckt den Eindruck, dass die Figuren weniger menschlich sind, als sie zu sein scheinen. Vielleicht verweisen sie damit auch auf die Gestaltwandlungsfähigkeiten des Mensch-Roboters aus der Terminator-Franchise, wo der Mensch nicht von der Maschine zu unterscheiden ist und wo das Gute leicht mit dem Bösen verwechselt werden kann. In der Skulptur Looking for John Conner ist der Bezug zu Terminator expliziter, da sie sich namentlich auf die Figur im Film bezieht, die der Roboter aus der Zukunft zu töten versucht. Hier hält eine Nachbildung der Arme des Terminators ein Stahlrohr in die Höhe und schafft so eine Verbindung zur Szene in Encounter.
Picasso Trace Buzzer, die eine Skulptur, die an der Außenwand des Zeltes und nicht im Inneren installiert ist, präsentiert sich als interaktives Spiel. Hier platziert Andrews eine kunsthistorische Ikone in den Kontext einer Spielhalle oder Jahrmarktattraktion. Der Umriss von Picassos charakteristischer Stierzeichnung wird als Metallrohr nachgebildet und damit zum aktiven Element: Die Arbeit lädt den Betrachter dazu ein, das Rohr mit einem Metallring entlangzufahren und dabei nicht zu berühren. Berührt er es doch, erlischt das Licht, und ein lautes elektrisches Horn ertönt, das die Zeichnung des berühmten Künstlers, das Symbol der Männlichkeit, in einen renitenten, gar abscheulichen Partygag verwandelt.
Kathryn Andrews Arbeiten begnügen sich nicht nur damit, immer wieder neue Sichtweisen darauf zu eröffnen, wie unsere Kultur historisch gewachsene Machtformen normalisiert hat, sondern schlagen auch gleichzeitig eine zeitgemäße Alternative vor.
Kathryn Andrews wurde 1973 in Mobile, Alabama, geboren und lebt und arbeitet in Los Angeles. Sie hat einen MFA vom Art Center College of Design, Pasadena, CA, und einen BFA von der Duke University, Durham, NC. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Institutionen ausgestellt, darunter Field Station: Kathryn Andrews, Eli und Edythe Broad Art Museum, Michigan State University, East Lansing, MI (2017); Kathryn Andrews: Run for President, The Nasher Sculpture Center, Dallas, TX (2016), und das Museum of Contemporary Art Chicago, Chicago, IL (2015), Sunbathers I & II, The High Line, New York, NY (2016); Kathryn Andrews, TC: Temporary Contemporary, Bass Museum of Art, Miami, FL (2014) und Special Meal Occasional Drink, Museum Ludwig, Köln, Deutschland (2013). Zu den jüngsten Gruppenausstellungen gehören The Sensation of Space, The Warehouse Dallas (2019), In Plain Sight, Mills College Art Museum, Oakland, CA (2019), Reconstruction, LAXART, Los Angeles, CA (2017); Good Dreams, Bad Dreams: American Mythologies, Aïshti Foundation, Beirut, Libanon (2016); NO MAN'S LAND: Women Artists from the Rubell Family Collection, Rubell Family Collection, Miami, FL (2015); Collecting Lines: Drawings from the Ringier Collection, Villa Flora Winterthur, Schweiz (2015) und The Los Angeles Project, Ullens Center for Contemporary Art, Beijing, China (2014).