Der Körper ist politisch – das zeigt sich eindrucksvoll in den Arbeiten der Künstlerin Annegret Soltau (*1946). Seit den 1970er-Jahren erregt ihre Kunst Aufsehen und hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren. Galt Soltau trotz ihrer kunsthistorischen Bedeutung lange Zeit als Geheimtipp, zählt ihr Werk heute zu den wichtigsten Positionen feministisch inszenierter Fotografie und Body Art.
In mehr als sechs Jahrzehnten hat sich die Künstlerin mit ihrer eigenständigen, radikal feministischen Bildsprache allen Widerständen zum Trotz als unverzichtbare Stimme der Gegenwartskunst etabliert. Das Städel Museum widmet ihr die erste Retrospektive überhaupt, die gemeinsam mit der Künstlerin entwickelt wurde. Mit über 80 Arbeiten gibt die Ausstellung einen umfassenden Einblick in ihr vielschichtiges Gesamtwerk: von Zeichnungen über erweiterte Fotografie und Video bis hin zu Installationen. Feminismus, Körperpolitik und die Herausforderung der menschlichen und weiblichen Identität sind zentrale Themen in Soltaus Werk. Dafür entwickelt sie eigene, innovative Techniken, die die Grenzen der Fotografie überschreiten – die Fotoübernähung und -vernähung sowie die Fotoradierung.
In ihren Selbstporträts hinterfragt Soltau Rollenbilder von Frauen und beleuchtet gesellschaftliche Normen, indem sie komplexe Gefühlswelten, innere Konflikte und emotionale Zustände sichtbar macht. Seit den 1970er-Jahren widmet sie sich der künstlerischen Auseinandersetzung mit Mutterschaft und Schwangerschaft – Themen, die über Jahrhunderte in der Kunst unterrepräsentiert waren und erst in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Gesellschaft und Kunstwelt gerückt sind. Das Altern des weiblichen Körpers und Fragen der Vergänglichkeit finden in ihren Arbeiten eine eindringliche Form. Soltaus Werke waren immer wieder der öffentlichen Zensur ausgesetzt, ihre Darstellungen wichen von etablierten ästhetischen und gesellschaftlichen Normen ab und wurden als provokant empfunden. Die Ausstellung im Städel Museum leistet eine wichtige Korrektur dieser Rezeption und ist zugleich eine längst überfällige Würdigung dieser großen Feministin und Künstlerin.