carlier | gebauer freut sich, die Einzelausstellung der französischen Künstlerin Hélène Delprat anzukündigen. Es ist die erste, umfassende Präsentation von Arbeiten der Künstlerin in der Galerie. Delprat wurde früh als Malerin bekannt, zog sich dann jedoch, trotz ihres erfolgreichen Karrierebeginns, für nahezu 15 Jahre aus der Öffentlichkeit zurück, um sich in aller Stille dem Schreiben sowie Radioprojekten, Film-, Szenographie- und Videoarbeiten zu widmen. Die Bandbreite von Delprats künstlerischem Schaffen belegt eine grenzenlose Neugier an der Überwindung von Zeitlichkeit, von Genres und den Grenzen des Geschmacks. Aus dem weitgefassten Archiv literarischer, historischer als auch filmischer und popkultureller Referenzen verfasst und fertigt sie ein konzeptuell bildhaftes Universum, das genauso allumfassend wie eigenwillig für sich steht.
Verfahren des Zitierens und Übersetzens sind im Werk von Hélène Delprat allgegenwärtig. Ihr unermüdliches Sammeln von Texten und Bildern nutzt Delprat als Auslöser und Katalysatoren für Verweisstrukturen, die im Ergebnis wenig Respekt vor dem Original zeigen. Sie deformiert, moduliert, dramatisiert und vervielfältigt ihre Materialbasis zu Assemblagen, die, wie die Künstlerin es formuliert, „zuweilen chaotisch sind, Modi der Collage, Montage und der magnetischen Aufladung von Formen und Ideen anwenden, die sich auf unterschiedlichste Weise neu zusammenfügen“. Derartige Assemblagen, die jederzeit verändert oder zerstört werden können, laden Form- und Bildelemente mit anderer Bedeutung auf und erlauben es, völlig neue Erzählungen zu entwerfen.
In ihrer Ausstellung bei carlier | gebauer zeigt sie neue Malereien ergänzt von szenographischen Elementen und weiteren Arbeiten in unterschiedlichen Medien. “TO SLEEP TO DIE, NO MORE” nimmt die Darstellung Laurence Oliviers als Hamlet mit seinem Monolog vom „to be, or not to be” in dessen Shakespeare Verfilmung zum Anlass. Hamlets Monolog gehört vermutlich zu den bekanntesten und meist zitierten Passagen der englischen Literatur, in welcher Lüge und Wahnsinn auftreten sowie existenzielle und paradoxale Fragen zu Leben und Tod, zu Bewusst- und Unbewusstsein gestellt werden, die nun Delprat für ihre Ausstellung neu aufgreift. Einmal mehr wendet Delprat sich der Dramaturgie und Stoffen von Shakespeare Stücken zu, unter anderem bereits zu Macbeth und dem das Stück tragenden Motiv der drei Hexen: „fair is foul and foul is fair“. In “TO SLEEP TO DIE, NO MORE” webt Delprat ein weites Netz von Referenzen, das genauso Disneys bösen Wolf, Betty Boop, Panzer, Schwerter, Gewehre, Messer, Ketten, Krieg umfasst – (ab und an zudem eine Flagge als Zeichen für das autonome Gebiet der künstlerischen Freiheit) – und gestaltlose Bestien mit scharfen Zähnen sowie eigens kreierte Figuren auftreten lässt. Ihre großformatigen Leinwände aus Acryl, Pigment und Glitzer sind mit diesen und weiteren Charakteren bevölkert.
In An Apple a Day Keeps the Doctor Away I (2018), erscheinen abstrahierte Blüten, in der Gestalt ähnlich mit Seeigeln oder Löwenzahn, umgeben von warmen, erdigen Farblasuren und weitläufigen Schleifen kleiner Kreise, die sich über die ganze Leinwand hinweg verteilen. Im Bildzentrum schweben fünf Schattengestalten (unklar ob Gespenster, Krieger oder Ornamente) auf eine hybride Gestalt zu. Himmlisch und profan gleichermaßen, erscheint diese seltsam magische Chimäre wie ein perverser Engel, eine Schlange, Dämon oder langohriger Esel. Delprats Universum beinhaltet stets ein ‘sowohl/ als auch’ doppelter Bedeutungen: eine Unschuld der Gestalt, humorvoll, leuchtend, kann sich letztlich ernst, tragisch oder sogar gewalttätig zeigen.
Indem die Künstlerin ihre unterschiedlichen Konstellationen von Stoffen, Medien und Referenzen unternimmt, die absurd oder selbstbezüglich wirken, erinnert Delprat uns daran, dass der Begriff ‚fatra’, der im modernen Französisch mit ‚Chaos’ oder ‚Wirrwarr’ negativ konnotiert ist, seinen Ursprung und seine Verwendung im 12. und 13. Jahrhundert hatte: als poetische Kunstform, die Sinn und Unsinn miteinander verschmolz. Hélène Delprat (FR) Hélène Delprat (FR) lebt und arbeitet in Paris. Letzte Einzelausstellungen im Musée des Beaux-Arts, Caen (2018); la maison rouge, Paris (2017). Jüngste Gruppenausstellungen u.a. im Musée National Picasso, Paris (2018); Fondation Cartier pour l’art contemporain, PSA, Shanghai (2018); La Maison d’Art Bernard Anthonioz, Nogent (2018). Ausstellungen und Interventionen ferner u.a. im Musée Gustave Moreau, Paris; Jeu de Paume, Paris; Hors Pistes Festival im Centre Georges Pompidou, Paris; Collège de France. Ihre Arbeiten sind in der Sammlung des Centre Pompidou, der Fondation Cartier, Antoine de Galbert und der Pinault Collection.