Die Spannung in den Arbeiten von Juergen Teller ergibt sich aus der Reibungshitze zwischen dem Glamour, der anrüchigen Faszination oder der hermetischen Unzugänglichkeit einer Person / einer Situation / einer Landschaft mit den schrägen, desillusionierenden Inszenierungsstrategien des Fotografen, die in der Entzauberung wieder neue Illusionen schaffen, respektive neue existentielle Schichten freilegen. Seine Fotografien, in denen Filmstars wie Charlotte Rampling oder Beatrice Dalle wie Figuren in einem Tableau vivant inszeniert werden und Mensch und Materie zu einem Ensemble – man könnte mit Deleuze/ Guattari auch sagen: zu einem organlosen Körper - verschmelzen, sind mittlerweile längst emblematisch.
Im Rahmen der Ausstellung sticht vor allem ein Bild mit der als Darstellerin elegant-soignierter Damen bekannt gewordenen Kristin Scott Thomas heraus: Sie trägt einen blauen EU-Kapuzenpullover, der effektvoll mit den rot geschminkten Lippen kontrastiert und ihr im Verein mit einem hilflos-erschreckten Gesichtsausdruck das Aussehen eines Alien verleiht: Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.
Das Foto „More No13. Connecticut, USA 1999“, in dem Stephanie Seymour in einer roten Robe mit provokant hervortretenden Brüsten und stolz erhobenem Haupt gewissermaßen auf einem Löwen bzw. dessen Fell reitet und dabei den Kopf der Bestie umklammert, gibt wiederum der Décadence-Vorstellung von der belle dame sans merci einen zeitgenössischen metaphorischen Rahmen.
Die Serie „Sigmund Freud`s Couch“ aufgenommen im Freud-Museum in London, nutzt das materielle Substrat der psychoanalytischen Theorie als Proszenium für die Performance des Models Malgosia Bela: Der nackte Körper präsentiert sich mal lasziv-verführerisch, dann wiederum angstvoll-zusammengekauert oder in Torsionen verdreht in bleichem Polaroid-Look.
Schön und schrecklich zugleich. Man gewinnt den Eindruck, dass hier der Kampf zwischen den Instanzen des psychischen Apparates von Freud als an die Grenzen gehendes Körperballett inszeniert wird: Wo Ich war, muss Es werden.
In Sichtverbindung mit den Implikationen dieser zwischen vitaler Energie und Todestrieb oszillierenden Gestaltung kann auch die vor kurzem entstandene Serie aus dem Sultanat Oman gelesen werden: Hier verzichtet der große Menschen(ver)bildner Juergen Teller vollständig auf die anthropomorphe Dimension und zeigt stattdessen Steine, Felsformationen, Texturen eines lehmig aufgerissenen Bodens, eine kalt strahlende Sonne, ein brennendes Floss in der Dunkelheit. Landschaft wird zu einer sorgfältig aus der Überfülle visueller Stimuli ausgelesenen Konfiguration abstrakter Zeichen. Die zu dekorativen Mustern oder archaischen Sinnbildern geronnenen Stills aus einer permanent permutierenden Wirklichkeit wirken wie chtonische Impulse aus einem existentiellen Raum vor und jenseits unserer Zeit. Eine, wenn man will, fotografische Feststellung einer sensuellen Erfahrung, die sich aus dem Reservoir des Unbewussten zu nähren scheint. Man könnte auch sagen: Materielle Präsenz als Spur einer vorbewussten und vorgelagerten Kreatürlichkeit. Es geht in der Arbeit von Juergen Teller darum, die „Intensitätszonen des Ekstatischen“ (Georges Bataille) auszuleuchten und dem Anruf des Archaischen standzuhalten. (Thomas Miessgang, Jänner 2018)
Juergen Teller and his subjects seem to play out together the thrilling, obsessive, nervous-making drama of the wrestling of photographic access. They explore intimacies that are often startling in the extreme - but oddly comforting, too, in their sense of a shared, bodily vulnerability. Teller seems to bring to the intrusiveness and voyeurism of photography a naivete that is disarming, yet fully self- aware. This eager and almost infantile need to look and know and capture comes with a directness that also allows his subjects to feel the photographer's inevitable nervousness in bringing to them his compulsion to photograph. This transforms the inequality of the photographic exchange into a human encounter, mingling excitement and apprehension, turning the contingencies of fashion into the rigours and difficulty of art. This drama of access - at once ardent and impudent, exquisite and gross, excessive and refined - is played out most brilliantly in Teller's work with the British actress, Charlotte Rampling.
Mixed in with models and designers and actors, each legendary in his or her own way (or made legendary by Teller's camera), are family and friends, together with figures that inspire or intimidate, and landscapes and architectures that warm or chill the heart. (quot. Aveek Sen)