Jorinde Voigts Einzelausstellung „Hills and Turns“ widmet sich einer Auswahl neuer Arbeiten auf Papier, deren verbindendes Element die Form des Hügels darstellt. In einer eigens für die Ausstellung gebauten, farbintensiven Architektur zeigt die Künstlerin die zwei großformatigen Notationen 45 Hills und 40 Hills (Vertical Turn), die achtteilige Serie Yellow Hills sowie die zehnteilige Serie The Scope (alle 2017).
Mit dem Hügel bezieht Voigt sich auf die archetypische Darstellungsweise eines Ereignisses, wie sie etwa aus der Dramaturgie bekannt ist. Die dramaturgische Kurve steht für den Spannungsverlauf einer Handlung, die ihren Ursprung wiederum im Diagramm hat. So kommt zugleich eine zeitliche Dimension ins Bild, die sich von links nach rechts lesen lässt. In den einzelnen Arbeiten und Serien fügen sich diese individuellen Ereignisse basierend auf einer repetitiven Variationsstruktur und teils blockhaften Anordnung (The Scope) zu ganzen Ereignis-, oder anders gesagt, Hügellandschaften. Der Hügel wird im gesamten Bildgefüge somit das, was heraussticht, aber auch das, was andere Elemente verdeckt. Er markiert ein Ereignis der Wahrnehmung und zugleich die Wahrnehmung eines Ereignisses.
Die Positionierung dieser Hügel im Bild spiegelt sich jeweils im oberen Teil des Blattes, d.h. sie wird reflexiv in ihr Gegenteil gebracht. Die jeweilige Farbskala der einzelnen Arbeiten und Serien dient der atmosphärischen „Färbung“. So wirkt blau beruhigend und lässt sich mit Wasser und Nacht in Verbindung bringen, während rot und gelb eher stimulierend wirken.
Zu den anderen, sich durchziehenden Bildelementen zählen wolkenförmige Intarsien, die sich wie in chinesischen Landschaftsmalereien um die Hügelspitzen formen und sukzessive auflösen (Yellow Hills) , sowie eine Vielzahl von rotierenden und vertikalen Linien, die einerseits eine Verbindung von oben und unten schaffen und andererseits über den performativen Ausdruck die Gleichzeitigkeit verschiedener Haltungen in der Komposition ausdrücken (45 Hills und 40 Hills (Vertical Turn)).
Farben wie Formen unterliegen spontanen Entscheidungen der Künstlerin. So gesehen lassen sich die Landschaften als, wie Voigt es nennt, „Kartographien des Moments“ verstehen. Die Ausstellungsarchitektur greift mit ihren monochrom gehaltenen Wänden in dunkelblau und rosa-gelb die jeweilige Farbskalen der Notationen auf und bieten ihnen, losgelöst von der Galeriewand, zugleich einen Schutzraum der die bildimmanenten Atmosphären in den Raum ausweitet.
Jorinde Voigt wurde 1977 in Frankfurt am Main geboren und machte 2004 ihren Abschluss in der Meisterklasse von Katharina Sieverding an der Universität der Künste Berlin, wo sie bis heute lebt und arbeitet.
Ihre letzten Einzelausstellungen waren in Institutionen wie Kunsthalle Nürnberg (2017), Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart Berlin (2016), Kunsthalle Krems, Österreich (2015); Museo d‘Arte Contemporanea, Rom (2014); und Langen Foundation, Neuss, Deutschland (2013). Zu den prominentesten Biennaleteilnahmen Voigts zählen die 11. Manifesta in Zürich (2016) und aktuell die Biennale de Lyon. Dort sowie im Finnland-Institut Berlin sind aktuell ebenfalls Arbeiten aus der Serie Hills zu sehen.
Jorinde Voigts Arbeiten sind in mehreren Sammlungen vertreten, darunter Art Institute of Chicago; Centre Pompidou, Paris; Kunsthaus, Zurich; The Morgan Library & Museum, New York; Museum of Modern Art, New York; Pinakothek der Moderne, München; Staatliche Graphische Sammlung, München und Kupferstichkabinett, Berlin u.a.