König Galerie freut sich, die erste Einzelausstellung des deutschen Malers Norbert Bisky (*1970) zu präsentieren. Unter dem Titel „Trilemma“ sind im Hauptraum der Galerie in einer raumgreifenden Installation neue Malereien auf Leinwand und Papier zu sehen.Der Ausdruck „Trilemma“ steht für eine Konfliktsituation, bei der zwischen drei jeweils ungünstigen oder inakzeptablen Optionen entschieden werden muss. Als schematisches Modell findet dieses Konzept in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen Anwendung, sei es im Finanzmarkt, in der Verkehrspolitik, in der Religion oder in der Philosophie. Das Motiv der dreifachen Ausweglosigkeit dient Norbert Bisky nun als konzeptueller Ausgangspunkt für seine meist großformatigen Bilder,die vor blauem Hintergrund in kräftigen, intensiven Farben und sanften Pastelltönen Chaos, Gewalt und Zerstörung zeigen.
Menschliche, oft fragmentierte Figuren ohne festen Boden unter den Füßen wirbeln neben versinkenden Architekturen haltlos durch den Bildraum, treffen auf abstrakte Farbflächen und zerstörerische Feuersbrünste.Dabei weisen die dynamischen Kompositionen ein komplexes Geflecht von Verweisen und Bezügen auf, die sich aus dem aktuellen Zeitgeschehen speisen und sich so zu Momentaufnahmen unserer scheinbar aus den Fugen geratenen Welt zusammensetzen. Die maßgebliche Zahl drei des Wortes Trilemma wird schon in der Ausstellungsarchitektur aufgegriffen, welche aus drei im Monumentalen endenden Wandstücken besteht und wiederum mit dem ehemaligen Kirchenraum - Ort der Dreifaltigkeit - von St. Agnes korrespondiert. Die titelgebende Arbeit zeigt eine männliche, dem Betrachter abgewandtePerson vor einem bildfüllenden, dreifarbigen Trilemma-Schema, das wiederum von einer landkartenähnlichen Form überlagert wird. Innerhalb dieser dargestelltenLandesgrenzen lassen sich Details von brennenden Trümmerteilen, Palmwedeln und einer ineinander verschlungenen Menschenmasse ausmachen.
Setzt man die einzelnen Elemente miteinander in Beziehung, ergibt sich eine Darstellung territorialer Konfliktsituationen, wie sie unter anderem im heutigen Tel Aviv an der Tagesordnung sind. Die andauernden Kämpfe um Landesgrenzen wirken sich auf alle Lebensbereicheaus und erweisen sich so als prägend für eine ganze Gesellschaft.Neben Tel Aviv gehört Rio de Janeiro zu den Städten, die Bisky regelmäßig bereist. Die tropische Vegetation, die auf mehreren Arbeiten in den Bildraum hineinwuchert, dient als Verweis auf das lateinamerikanische Land, in dem sich der Künstler immer wieder über längere Zeiträume aufhält. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände, die in Rio de Janeiro momentan an der Tagesordnung sind, werden im Bild„Tiroteo“ in Form von vermummten Gestalten vor tropischer Kulisse aufgegriffen. Die Darstellung des Vermummten ist ein wiederkehrendes Motiv im Oeuvre Norbert Biskys.
Auf den ersten Blick verweisen die Darstellungen zunächst auf die Protagonisten politisch motivierter Aufstände, deren Aufmachung - Kapuzenpullover, Tuch umsGesicht - sich jeweils kaum unterscheidet, ob in Kairo oder Hamburg, Sao Paulo oderCharlottesville. Die Vermummung kann jedoch auch als Antithese zu den Tendenzenunserer Zeit gesehen werden, in sozialen Netzwerken jeden Winkel des eigenenLebens zu inszenieren und offenzulegen. Die uns täglich umgebende Bilderflut, die uns steuert und beeinflusst, wird vom Medienphilosophen Wilhelm Flusser als DritteKatastrophe der Menschheit - nach der Menschwerdung und der Zivilisation - benanntund ist ein weiterer konzeptueller Bezugspunkt der Ausstellung. Flusser, ein jüdischer Intellektueller, der den Großteil seines Lebens in Brasilien verbrachte und dessen zentrales Thema der Untergang der Schriftkultur war, zeigt sich kritischgegenüber der Verschiebung vom Text hin zum Bild als Informationsquelle unserer Zeit.Die Willkür der auf uns einströmenden Bilder, die das subjektive Empfinden von Halt- und Aussichtslosigkeit verstärken, klingt in der Arbeit „Iconoclasts“ an.
Zu sehen ist eine mit sich ringende, taumelnde Gruppe menschlicher Figuren, die sich im Strudel von abstrakten Farbflächen verliert. Es ist ein aussichtsloser Kampfgegen auf uns einströmende Bilder, die unsere Gegenwart und den Blick auf unsere Vergangenheit beeinflussen. Die momentan in den USA medial vieldiskutierte Entfernung von historischen Denkmälern, welche mit dem aktuellen Geschichtsverständnis nichtkonform gehen, lässt Erinnerungen an das geteilte Deutschland wach werden und steht somit in Zusammenhang mit Biskys eigener Biographie. Für ihn, der in Leipzig aufwuchs, gehörte die nach der Wende stattfindende Umgestaltung des öffentlichen Raumes und die damit einhergehende Ausradierung ehemaliger ideologischer Anhaltspunkte zur täglichen Realität. Die kleinerformatigen Öl-auf-Papierarbeiten sind in ihrer Farbigkeit meist reduziert und zeigen vor erdigen Brauntönen teils mehrere Figuren, die losgelöst von einer konkreten Handlung den Bildraum dominieren. Die Motive wiederholen sich und sind mit spontanem Gestus aufs Papier gebracht - Badeszenen, Kämpfende, scheinbarschwere- und haltlos umherwirbelnde Menschen, Dicke und Gehängte. Die im Werk Biskys fest verankerten konzeptuellen Ausgangspunkte von Gewalt, Haltlosigkeit und Willkür kommen auch hier zum Tragen und setzen sich zu Bildern zusammen, die auf komplexe und vielfältige Weise eine Chronik unserer Zeit ergeben.
Für die Eröffnung am 8. September hat der Musiker und DJ Henrik Schwarz eine Soundperformance entwickelt.
Norbert Bisky, 1970 in Leipzig geboren, zählt innerhalb seiner Generation zu denbekanntesten Malern Deutschlands. Seine Arbeiten waren in zahlreichen internationalenEinzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, unter anderem im Kunstmuseum Bern,Schweiz; im Haus am Waldsee, Berlin; im Latvian National Museum of Art, Riga,Lettland; in der Kunsthalle Rostock; im Haus am Lützowplatz, Berlin; im Martin-Gropius-Bau Berlin; im Tel Aviv Museum of Art, Israel; im Maison Rouge Paris,Frankreich, und auf der Beijing Biennale, China. Seine Arbeiten sind unter anderemin folgenden öffentlichen Sammlungen vertreten: Museum of Modern Art, New York,USA; Museum Ludwig, Köln, Deutschland; National Museum of Contemporary Art, Seoul,Südkorea; Kunsthalle Rostock, Deutschland; Museum der Bildenden Künste, Leipzig,Deutschland; Sammlung Deutsche Bank Frankfurt, Deutschland; Palm Springs Art Museum,Palm Springs, USA; Le FNAC Fonds National d’Art Contemporain, Frankreich.