Wahrnehmung ist Übersetzung, Kunst ist Transformation – ein Wechselspiel aus Zeigen und Imaginieren, bei dem zugleich auch die Kriterien und Prämissen dieser Erfahrung transparent werden.
(Brigitte Kowanz)
Häusler Contemporary München freut sich sehr, neue Lichtarbeiten von Brigitte Kowanz zu präsentieren, deren aktuelle Installation im Österreichischen Pavillon auf der Biennale von Venedig viel Beachtung erhält. Anknüpfend an den neuen Werkkomplex, den die Künstlerin für Venedig entwickelt hat, zeigt sie bei uns Arbeiten, die das bahnbrechende Phänomen der Digitalisierung in Zusammenhang stellen mit dem politischen Weg zum heutigen Europa.
Brigitte Kowanz (*1957, Wien, lebt in Wien), die heuer offizielle Vertreterin Österreichs auf der Biennale von Venedig ist, gehört mit ihren genuinen Lichtarbeiten zu den international bedeutenden Kunstschaffenden. Sie macht Licht als eigenständiges Phänomen sichtbar, das nicht nur beleuchtet, sondern ähnlich wie Sprache und Schrift Informationsträger ist und Bedeutung generiert. So kombiniert sie seit den späten 1980er-Jahren Licht häufig mit Schriftzeichen und sprachlichen Codes, um das komplexe Verhältnis von Sehen und Verstehen, Wahrnehmen und Erkennen zu visualisieren.
Im Zusammenhang mit ihrem Beitrag für die Venedig-Biennale hat Kowanz sich intensiv mit dem Phänomen der Digitalisierung befasst. Wir freuen uns sehr, in München nun exklusiv neue Arbeiten präsentieren zu können, die direkt an die vielbeachtete Installation im Österreichischen Pavillon anknüpfen. Selten war Brigitte Kowanz so politisch wie in diesen neuen Werken, in denen sie wichtige Momente der jüngeren Geschichte Europas vor dem Hintergrund der digitalen Revolution reflektiert.
Optisch sind die neuen Objekte dominiert von handschriftlich entworfenen, schwungvollen Neonlinien, die an Kabel erinnern und in mehrfach verspiegelten Quadern angebracht sind. Beim Nähertreten erkennt man auf der Glasoberfläche, parallel zum Lauf der Neonröhre einen Code. In Morseschrift hat Kowanz hier verschiedene bedeutungsträchtige Daten der europäischen Zeitgeschichte aufgetragen: Das Inkrafttreten der UNO Charta am 24. Oktober 1945,den Fall der Berliner Mauer vom 9. November 1989, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union am 12. Oktober 2012, oder das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris vom 7. Januar 2015. Es sind allesamt Daten, die für den übernationalen Zusammenschluss des heutigen Europa massgebend waren oder – wie im Fall von Charlie Hebdo – diesen auf die Probe stellten. Das Kabel als Bindeglied, als Übermittler von Elektronik und Daten steht vor diesem Hintergrund als Symbol für die dritte industrielle Revolution, die in den 1970er-Jahren begann und die Etappen der europäischen Vereinigung begleitete und vielfältig prägte.
Das Ausmass der Digitalisierung und den Einfluss, den sie auf unser Leben und auf das politische Geschehen hat, ist für uns alle, auch für Brigitte Kowanz, wie sie sagt, nicht fassbar. Doch gelingt es der Künstlerin mit ihrer Ausstellung bei uns, dieses komplexe Phänomen zumindest teilweise fassbar zu machen, indem sie es in die sinnliche Sprache der Kunst überführt.