König Galerie freut sich, die Gruppenausstellung Gartenschau in dem von der Königlichen Gartenakademie gestalteten ehemaligen Kirchgarten zu präsentieren.
Weithin sichtbar ragt St. Agnes auf. Eine präsente geometrische Form im urbanen Raum, nach außen gestaltet mit rohem, bedrohlich scharfkantigen Beton. Wie kann ein Gartenraum dazu oder daneben wirken? Grundgedanke ist es, die geometrischen Formen des Gebäudes aufzunehmen und im Garten wieder einzusetzen – mit den Formen den neuen Gartenraum zu kreieren.
Strebt St. Agnes mit seinen Bauteilen in die Höhe, nimmt der Garten in genau definierten Teilbereichen die umgekehrte Richtung ein. Strukturierende immergrüne Heckenriegel unterstützen die Raumwirkung und verhindern einen den Gartenraum mit einem Mal überschauenden Blick. Der Garten will entdeckt werden.
In den einzelnen Gartenräumen sind Werke von Elmgreen & Dragset, Katharina Grosse, Jeppe Hein, Alicja Kwade, Michael Sailstorfer, Tatiana Trouvé, Erwin Wurm und David Zink Yi zu sehen. Die Schau im ruhigen und von der Außenwelt abgeschirmten Garten hinter der Kirche lenkt den Blick darauf, wie sich die Künstler auf je eigene Weise kritisch mit raumbasierten Herangehensweisen an die zeitgenössische Kultur auseinandersetzen.
An der Betonwand der Kirche auf einem Ast sitzend scheint Elmgreen & Dragsets Emerging, ein Geier aus Bronze, die Besucher und die anderen Kunstwerke mit scharfem Blick zu belauern. Die bedrohliche Haltung der Kreatur legt den Gedanken nahe, dass sie nur darauf wartet, die Schwäche eines Opfers auszunutzen. Die Verknüpfung dieses unheildrohenden Symbols mit der Figur des Theoretikers und Kunstkritikers wirft Fragen auf: Wer beobachtet die Welt der zeitgenössischen Kunst aufmerksam, um im richtigen Moment zuzuschlagen und sich am Unglück anderer zu laben? Wer ist unser metaphorischer Geier?
Katharina Grosses wie aus der Welt gefallene Skulptur ist Malerei als reines Volumen – durch die elektrisierend ausdrucksstarken Farben, die die Künstlerin aufeinanderschichtet, entzieht sich o. T. dem Versuch, seine Schwere einzuschätzen. Die Arbeit scheint zu schweben und strahlt trotz ihrer raumgreifenden Masse große Leichtigkeit aus. Der Bildträger wirkt geologisch und künstlich zugleich: Grosses intensiver Einsatz von Farbe lässt Grenzen zwischen verschiedenen assoziativen Dimensionen verschwimmen.
Jeppe Hein untersucht, wie im kritischen Umgang mit Architektur Möglichkeiten für Interaktion mit dem Betrachter geschaffen werden können, und entwirft räumliche Verhältnisse zwischen Subjekt und Objekt. Die Arbeit Mirror Angle Fragments (60°), die aus durchbrochenen Spiegelglasfeldern besteht, schafft durch Fragmentierung unseres Spiegelbilds und Überlagerung mit der Umgebung und anderen Betrachtern um uns herum ein neues Blickfeld, in dem die Schranken zwischen Ich, Anderem und Landschaft durchlässig werden.
Bei Alicja Kwades Anschauungsvorstellung lassen unbehauenes Material und Ähnlichkeit in den Proportionen allein durch unser Assoziationsvermögen das Gefühl völliger Bildlosigkeit entstehen. Ein Block weißer Carraramarmor hat das Volumen und die Größe eines menschlichen Körpers, sodass man meint, aus ihm ließe sich eine stehende Figur meißeln; rosa Granit lässt an eine sitzende Gestalt denken; in einem waagerecht angeordneten langen Stück Sandstein könnte man sich eine liegende Figur vorstellen. Eichen- und Aluminiumstelen vervollständigen diese Versammlung der Materialien der Bildhauerei: eine poetische Verneigung vor der Skulptur im ersten Stadium ihres Werdens, noch vor aller schöpferischen Tätigkeit.
Kopf und Körper Modell Waldkirchen II tritt als kulturelles Artefakt auf: Michael Sailstorfer ruft die Vorstellung eines menschlichen Gesichts und Körpers durch einfache stilistische Merkmale und Proportionen wach. Das ausbalancierte Verhältnis zwischen Beton und einem geborstenen Holzbalken verleiht der Arbeit, die archaisch und doch durch und durch zeitgenössisch wirkt, etwas Zeitloses. Der Künstler setzt damit seine Untersuchung zur Symbolik der Masken und zur Verfremdung vertrauter Grundformen und -materialien fort.
Tatiana Trouvés Waterfall ist eine tragikomisch-romantische Neufassung des von vielen öffentlichen Plätzen vertrauten klassischen Springbrunnens. Statt den bekannten Formen begegnen wir hier einer vor sich hingammelnden Matratze, wie man sie sonst an Straßenrändern und in Abfallcontainern liegen sehen kann. In Bronze, ein bevorzugtes skulpturales Material, gegossen, wirkt sie trotzdem weich; erbarmungswürdig schlaff hängt sie über einer Platte aus Baubeton. Der detailreich gearbeitete Guss lässt Abnutzungsspuren, Grübchen mit Knöpfen und Druckstellen erkennen; die Matratze scheint zu weinen oder schwitzen, was diesem zutiefst privaten und nun achtlos weggeworfenen Objekt etwas Menschliches verleiht.
Cumcumber, eine Arbeit des für seinen kritischen und zugleich humoristischen Formalismus bekannten Künstlers Erwin Wurm, besteht aus fünf Bronzegüssen in Gestalt dieses schnell verderblichen Gemüses, das auf europäischen Speiseplänen einen festen Platz hat. In der Vergrößerung unweigerlich komisch, wird die Gurke durch ihre körperähnlichen Proportionen vermenschlicht und gerade dadurch zum Kunstwerk. Wurm wirft einen nachdenklichen Blick auf vertraute Gegenstände, vor allem Nahrungsmittel, ihre kulturelle Bedeutung und ihr Verhältnis zum Körper – und spielt zugleich geschickt mit der Gefahr, ins Obszöne abzugleiten.
Man kennt sie eher von Boulevards und Avenuen in den USA: David Zink Yis grazile Palmen mit dem Titel Neusilber 2 wirken in diesem Umfeld und neben typisch Berliner Flora merkwürdig deplatziert. Aus Edelstahl gefertigt und ungewöhnlich schmächtig, lassen sie uns im Gewöhnlichen des Surreale entdecken – der Künstler eignet sich eine so exotische wie banale Pflanze an, um mit ihren formalen Qualitäten zu spielen.