Die hitzige Debatte in der chilenischen Gesellschaft anlässlich des 50. Jahrestages des Staatsstreichs, der die Demokratie zerbrach und die Tür zu den schlimmsten Verbrechen in unserer Geschichte öffnete, war ein Realitätscheck für eine unbewältigte Vergangenheit. Sie verlangt nach einer Antwort für die Generationen, die unter dem langen Schatten der 17 Jahre währenden Militärdiktatur leben. Das Gespenst der Schuld sucht Chile heute heim. Unter anderem haben sich Politiker, Historiker, Philosophen, Künstler, Soziologen, Arbeiter, Akademiker, Büroangestellte, Hausfrauen, Schüler und Studenten dazu geäußert, ob der Staatsstreich gerechtfertigt war oder nicht. Die Streitkräfte und die Carabineros – die Erben der Hauptakteure, die das Drama durchführten und 17 Jahre lang regierten – hüllen sich in Schweigen. Die Rolle der US-Regierung und das direkte Eingreifen des damaligen Präsidenten Richard Nixon wurden ebenfalls heruntergespielt, doch kürzlich freigegebene Dokumente gewähren Zugang zu Informationen, die keinen Zweifel an der aktiven Rolle lassen, die sie bei der Zerstörung der chilenischen Demokratie gespielt haben. Vielleicht ist ihre Verantwortung größer oder gleich groß wie die der chilenischen Zivilgesellschaft.
Die Militärs wiesen darauf hin, dass es sich um ein „Pronunciamiento“ (wörtlich Verlautbarung/Verkündigung) und nicht um einen Staatsstreich handelte, für das sie juristische Erklärungen liefern wollten, die es nicht gab. Die Gründe waren politischer Natur: Waren Präsident Salvador Allende und die ihn begleitende Koalition der Unidad Popular verantwortlich für das Ende der Demokratie? Wie sehr man auch versucht, ihm die Schuld zuzuschieben, die Argumente sind nicht stichhaltig und lösen sich auf angesichts der überwältigenden Beweise für die Achtung des Gesetzes und der Verfassung, die er bis zum 11. September 1973 ausübte, sowie für die tadellose demokratische Biografie des ehemaligen Präsidenten. Der einfachste öffentlich zugängliche Beweis hierfür ist ein Blick in die damalige Presse, wo die absolute Freiheit zu erkennen ist, die unter der Regierung Allende herrschte. Niemand hat je geleugnet, dass sich das Land 1973 in einer tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Krise befand, und der offensichtlichste Beleg dafür ist, dass der Präsident für den 11. September eine Volksabstimmung einberufen wollte, wie er einigen seiner Minister mitgeteilt hatte – mit dem Hinweis, dass er im Falle einer Niederlage die Regierung verlassen würde.
Was ist also nötig, damit sich die chilenische Gesellschaft von dieser Vergangenheit, die uns verfolgt, befreien kann? Betrachtet man die Erfahrungen von Ländern wie Deutschland, so sind beispielsweise der Versailler Vertrag oder die Wirtschaftskrise der Weimarer Republik nicht schuld am Staatsstreich Hitlers 1933, der Errichtung einer Diktatur, der Schaffung der Gestapo und dem Beginn der politischen und rassischen Verfolgung, der Einrichtung von Konzentrationslagern und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall auf Polen. Die Deutschen und ihre Armee übernahmen die volle Verantwortung für die durch die Diktatur verursachten Schrecken, und es gibt keinen Raum für Erklärungen wie die, dass unter Hitler die großen Autobahnen gebaut oder der beliebte Volkswagen-Käfer für das deutsche Volk entwickelt wurde.
Gedenkstätten und Museen über das Grauen in Deutschland sprechen nicht über den Kontext, über Weimar oder die ungerechten Klauseln, die Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 auferlegt wurden. Das Museum „Topographie des Terrors“ in Berlin, das sich auf dem Gelände der Gestapo befindet, beschreibt, wie die Gestapo zwischen 1933 und 1945 „die Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen geplant, organisiert und durchgeführt hat“, mit Namen und Fotos der Verantwortlichen.
In Chile waren die Streitkräfte für den Staatsstreich verantwortlich, sie planten ihn, führten ihn aus und setzten die Terrormaschine in Gang. Die DINA war die chilenische Gestapo und nahm ihre Arbeit sofort auf; ihre Gründung wurde im November 1973 offiziell bestätigt. Es stimmt, dass es Zivilisten waren, die den Putsch angezettelt hatten, aber das Waffenmonopol lag beim Militär, genau wie heute. Deshalb ist das ausdrückliche Veto, das gegen die Umwandlung in Gedenkstätten von einigen der Orte von Erschießungen und Folterungen innerhalb von Kasernen eingelegt wurde, so peinlich und schadet dem historischen Gedächtnis.
Die Streitkräfte in Uniform weigern sich, die volle Verantwortung zu übernehmen und ihre Institutionen für die Zerstörung der Demokratie zu verurteilen, und ein großer Teil der Rechten fühlt sich verpflichtet, sie zu rechtfertigen, was immer schwieriger wird. Sicherlich werden die Streitkräfte und die Carabineros bei den Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag schweigen, aber eher früher als später wird eine Generation von Militärs kommen, die ihre Ehre reinwaschen und dem Land die Stirn bieten und die Verantwortung für die Zerstörung der Demokratie und für die 17 Jahre des Schreckens übernehmen, die uns bis heute verfolgen.