Um die wahre Realität eines bestimmten Zeitpunktes der Geschichte kennenzulernen oder zu analysieren, sollten wir in die Kunstdisziplinen versinken. Denn nur dort - gerade wenn schwierige und chaotische, wie auch Wohlstandepochen kommen – ist zu sehen wie die historischen Geschehnisse tatsächlich abgelaufen sind. Und egal ob es Musik, Theater, Literatur oder Malerei sein soll, nur noch in diesen Feldern können wir regelrechte Spuren der Geschichte finden. Die Lichtfilmkunst beinhaltet mehrere Künste in sich (Literatur, Musik und Schauspiel) und widerspiegelt, logischerweise, eine starke Strahlung von Energie etlicher Künstler. Diesen Text möchte ich einem der größten Regisseure der Weimarer Republik widmen, Georg Wilhelm Pabst, der mit viel Mühe eine hervorragende Karriere in harten Zeiten startete.
Pabst wurde in Böhmen geboren, hatte aber nach dem Ersten Weltkrieg eine starke Verbindung zu Deutschland und drehte von 1923 bis 1929 als Filmregisseur nur Stummfilme. Da die damaligen Tendenzen zu surrealistischen Leistungen der Schauspieler führten, versuchte Pabst eine andere Kunstform des Films zu erschaffen. Trotz schlechter Bildqualität, primitiver Technik und Mangel an Schauspielern, erfand Pabst seine eigene Kunstsprache, um alle oder viele Ereignisse der damaligen Zeit ausdrücken zu können. Leider können wir nicht alle Filme analysieren. Die Wertvollsten sind allerdings die Stummfilme, wobei sich damalige Regisseure aufgrund der limitierten Mittel sehr schwer ausdrücken konnten. In den 1920er Jahren gab es auch noch eine andere Benachteiligung und zwar, dass Schwarzweißfilme gar keine Dreidimensionalität wiedergeben. Dafür lag in der Filmsprache des Regisseurs die Potenzierung der Hauptrolle mit den Schauspielern, sowohl Erfahrenen als auch Anfängern, der entscheidende Punkt seines Erfolgs. So können wir ein paar Beispiele nennen; Fritz Rasp und André Roanne, Brigitte Helm, Margarette Kupfer und Hertha von Walther. In Wirklichkeit hatte Pabst in seiner ersten Epoche als Filmregisseur noch weitere Schauspieler auf seiner Liste, deren Schicksal mit dem Ende des Ersten Weltkriegs völlig verbunden waren. So trat der russische Schauspieler und Drehbuchautor Wladimir Sokoloff (Die Liebe der Jeanne Ney – 1927) in Pabsts Filmen auf. Auch André Roanne erhielt– im Hinblick auf eine künftige friedliche Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg – Rollen in deutschen Stummfilmen.
Die Produktionen waren sehr anspruchsvoll und Schauspieler verzichteten damals in Lustspielen anderer Produktionsfirmen zu arbeiten, damit sie überhaupt vom Pabst berücksichtigt werden konnten. Der Ruf stieg in eine positive Richtung, der Regisseur brach später in die Tonfilmindustrie auf und erreichte seinen Höhepunkt mit Die Dreigroschenoper (ein gleichnamiges Bühnenstück vom Bertolt Brecht) im Jahr 1930. Trotz Filmverbots ab 1933, enthüllte Schauspieler Fritz Rasp im Jahr 1972, der im Film Peachum spielt, sei der Film vom Studio Babelsberg mit neunundvierzig weiteren Filmen ausgewählt, und Adolf Hitler zum 50. Geburtstag geschenkt worden. Denn er erhielt innerhalb einer engen Auswahl, von Filmkritikern die Auszeichnungen: beste Regie, beste Darstellung und beste Kamera.
Georg Wilhelm Pabst beherrschte souverän die Kunst, gute Filme zu drehen. Allerdings wird für seine Mitarbeiter seine Stummfilmzeit als die Beste in Erinnerung bleiben. Zwei davon werden in der Geschichte der deutschen Lichtspiele tief verankert sein. Die Liebe der Jeanne Ney (1927) ist ein Kriegsdrama basierend auf dem Roman von Ilja Ehrenberg. Pabsts Dreidimensionalität durch seine Szenen mit dem Spiegel ist in diesem Film ein Zeichen seiner Genialität, wie man mit einer Aufnahme zwei verschiedener Kadragen eine Person darstellen kann. Es spielt im russischen Bürgerkrieg und bedeutete für Brigitte Helm das Sprungbrett als Filmschauspielerin. Auch wenn sie in diesem Jahr, 1927, noch zwei weitere Filme drehte; Am Rande der Welt (Karl Grune) und Metropolis (Fritz Lang), hinterlässt die Mitarbeit mit Pabst, allein von den Außenaufnahmen in Paris, einen gewissen Glamour. Die niedersächsische Schauspielerin Hertha von Walther hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt mehr Erfolg und Auftritte im Filmgeschäft und erhielt die Nebenrolle der Margot, einer Bardame, die an der Theke eines Tanzsaloons arbeitet. Die Charakterisierung von Margot ist auch so markant, dass die Aufnahmen, auch mit einem Spiegel im Hintergrund, die unwichtige Figur mit einem heiteren Gemüt, in eine besondere Gestalt voller Kraft und Schönheit verwandeln. Am Ende warnt Margot (Hertha von Walther) die Blinde Gabriele Ney (Brigitte Helm) vor Chalibieff (F. Rasp).
Der zweite Film, den ich erwähnen möchte, ist Tagebuch einer Verlorenen (1929). Pabst verzichtete nicht auf seinen Lieblingsschurken, Fritz Rasp, der eine Natürlichkeit beim Spielen erlangte und steigerte. Bei diesem Projekt spielte Louise Brooks, Schauspielerin aus den Vereinigten Staaten, die Hauptrolle und nutzte es, um noch einen weiteren Film (Die Büchse der Pandora, 1929) mit Pabst, fast gleichzeitig, zu drehen. Brooks, die in dem Film Thymian, die Tochter vom Apotheker Robert Hennig (Josef Rovensky) spielte, war neben dem französischen Schauspieler André Roanne (Graf Osdorff) ein Sondergast. Der Film war ein Versuch mit Künstlern der Großmächte des Ersten Weltkriegs in der Filmindustrie zusammen zu arbeiten. Da die Schauspieler aus den Vereinigten Staaten, Tschechien, Russland, Deutschland, Frankreich und Österreich stammten, legte Georg Wilhelm Pabst mit viel Leidenschaft besonderen Wert auf den friedlichen Hintergedanken des Projekts. Bei den Nebenrollen waren Fritz Rasp und André Roanne die Besten in der Besetzung.
Ganz unabhängig von der Qualität der Filme, weil die Produktion und Konkurrenz in der Zeit sehr stark war, ist der gesellschaftliche Wert, hundert Jahre später, viel höher als das was sie damals investierten. Die Werke sind nun Thematik für Restaurierung und Rettung verschiedener Versionen, die damals, wegen der Zensur geschnitten wurden und im Laufe der Jahre nie wieder auftauchten.
Auch die Filmsprache, die jeder Regisseur für sich einnahm, ist einzigartig, denn sie musste mit der Stummheit und Hintergrundmusik übereinstimmen. Diese besonderen Eigenschaften sind der Hauptgrund, diese Filme als historische Kunstwerke zu betrachten, bei denen mit Sicherheit noch weitere Forschungen fortgesetzt werden.