Devotionalien sind faszinierende Dinge. Anders als Utensilien des zweckmäßigen Gebrauchs, lässt ihre Erscheinung keine Rückschlüsse über ihre unmittelbare Handhabung zu. So weist deren weltliche Beschaffenheit immer auch auf eine sublime Bedeutungsebene hin und stellt, zum Beispiel als archäologisches Artefakt geborgen, die Nachwelt fortwährend vor das Problem, das ihnen zugrunde liegende Ursprungsmilieu zweifelsfrei zu deuten. Für Molecules of a Central Soul schafft Tina Kohlmann neue skulpturale Arbeiten im Graubereich zwischen kulturgeschichtlicher und gegenwärtiger Symbolik.
Zentraler Anknüpfungspunkt der neuen Serie sind zoomorphe Götterfiguren, allen voran Schlangenwesen, die sich in den Mythologien unterschiedlichster Weltregionen wiederfinden lassen. Kohlmanns Übersetzung bleibt dabei stets spielerisch: Sie verwandelt die tierischen Hybride in Leuchtröhren, die jeweils in einer monolithartigen Fassung aus behauenem Stein gerahmt werden. Der Umgang mit fluoreszierenden Materialien betont die auratischen und ephemeren Eigenschaften des Kunstwerks, genauso wie die solide Körperlichkeit der steinernen Trägerfiguren. Gleichfalls verkehrt die monumentale Lebensdauer des Steinguts in Kombination mit den applizierten Haarteilen die gestalterische Materialwahl zu einer fast anachronistischen Geste. Die Objekte, die hier zu sehen sind, speisen sich aus einer Jahrtausende alten, spirituellen Tradition und offenbaren doch ihre absolute Zeitgenossenschaft.
Für Kohlmann ist die Positionierung zwischen Tradition und Gegenwart, Hoch- und Popkultur, Natur und Artefakt kein Widerspruch. Ihre Charaktere bekommen erst durch diese Ambivalenz ein transzendentales Eigenleben und die Potenz, als künstlerische Kultobjekte zu wirken.
(Dierk Höhne)