Die Fotografie einer von Bäumen gesäumten Flusslandschaft stellt den Prolog für die Ausstellung dar; eine kleine Brücke im Bildzentrum, Spazierwege und ein künstlich angelegter Wasserzulauf verweisen auf menschliche Intervention. Nakonechna öffnet jedoch eine weitere Bildebene, indem sie die Schwarzweißaufnahme als Screenshot während der digitalen Bearbeitung präsentiert, mit Skalierung am oberen Bildrand und dem Photoshop Hand-Werkzeug das nun scheinbar frei über den Baumkronen schwebt.
Dieses Bild einer friedlichen, doch auch manipulierten Landschaft ist als Kontrapunkt zu der zentralen Werkgruppe in der Ausstellung zu verstehen, für die auf einer Wand an der Stirnseite der Galerie eine Situation geschaffen wurde, in der gezeichnete Umrisse der einzelnen Bildformate als Platzhalter für viele mögliche Variationen von Hängungen dienen.
In diesen Werken greift Nakonechna auf Themen zurück, die sie seit mehreren Jahren beschäftigen: die politische Dimension von Landschaften, die willkürliche Verschiebung von Grenzen und die damit verbundenen Konflikte, aber auch unsere relative Distanz zu Bildern aus unbekannten Kontexten und der Versuch, sich diesen durch analytisches Hinterfragen zu nähern.
Zwei schwarzweiße Transferdrucke mit identischem Motiv, einem von dichten Bäumen und Gestrüpp verdeckten Wohngebäude, wurden einmal mit blauer und schwarzer Farbe, einmal mit blauer, schwarzer und roter Farbe bearbeitet. Schwarz, Blau und Rot sind die Farben der Flagge der proklamierten, international nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk", Schwarz und Blau die Grundfarben der Flagge des ukrainischen Verwaltungsbezirks Oblast Donezk. Während hier die Farben der jeweiligen Flaggen wie ein Filter über die Landschaft gelegt sind, widmen andere Arbeiten sich dem Territorium in seiner kartographischen Repräsentation: So werden etwa die Umrisse der okkupierten Gebiete von Donezk und Luhansk freigestellt als Fragment einer Landschaftsaufnahme oder ein wie eine Landkarte gefaltetes weißes Blatt wird ausgebreitet in den Händen von mehreren Personen gezeigt. Das Territorium wird hier offenbar verhandelt, wobei offen bleibt, ob der Baum in der durch Nummerierung zugeordneten Zeichnung wirklich ein Baum ist oder nicht vielleicht doch eher eine Explosion.
Eine weitere Arbeit beschäftigt sich mit dem Phänomen der Camouflage – im fleckigen Grün und Schwarz der wiederum freigestellten Umrisse (die sich hier allerdings nicht auf ein konkretes Gebiet beziehen) erkennt man erst auf den zweiten Blick einen am Boden liegenden Leichnam und einen Soldaten in Uniform. Diese Mimese lässt den menschlichen Körper mit seiner Umwelt verschmelzen – man kann dieses Bild als Symbol für einen unsichtbar gewordenen Krieg lesen, einen Krieg der nun seit fast sechs Jahren andauert und dem (laut UNO Bericht) inzwischen rund 13.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Die Besucher sind eingeladen, selbst aus dem Konvolut an Zeichnungen eine für sie kohärente Hängung zusammenzustellen, so dass während der Laufzeit der Ausstellung immer wieder wechselnde Perspektiven entstehen und neue Narrative zu diesen „fremden Bildern" generiert werden.