Schwere Maschinen, durch deren Ritzen im Dunkel des Vorführraums das Licht dringt: Die besondere Aura der Projektoren begeisterte Ricarda Roggan, seit sie im Studentenjob lange, ruhige Kinonächte mit ihnen verbrachte. Das Gewicht der schweren Apparate, das leise Rattern der Motoren, das luftige Flimmern der Bilder im Kinoraum. All diese Eindrücke haben lange geruht und beharrlich nachgewirkt, um jetzt in einer neuen Fotoserie verdichtet zu werden, die stärker als sonst mit der Biografie der Bildkünstlerin verbunden ist.
Wie alles, was Ricarda Roggan vor der Linse ihrer analogen Großbildkameras arrangiert, verharren nun auch die Projektoren in einer Art Zeitkapsel. Sie schreien nicht „Schau mich an!“ oder „Hol mich hier raus!“ Sie genügen sich selbst. Freuen sich demütig darüber, dass ihnen noch einmal eine Bühne bereitet wird. Verharren in sich ruhend und entfalten gerade darum einen ganz eigenen, nüchternen, völlig unsentimentalen Zauber. Sprechen eine stumme Einladung aus, sie ungestört und konzentriert zu betrachten.
Auf der Suche nach den Projektoren, die im digitalen Zeitalter der Kinoprojektion sukzessive ausgemustert wurden, stieß Ricarda Roggan auf einen passionierten Sammler, der in mehreren Schuppen im Garten seines am Rande von Leipzig gelegenen Hauses eine nahezu vollständige Kollektion von 35mm, 16mm und 8mm Projektoren bewahrt. Allesamt Geräte, die schon lang aus dem Kreislauf von Ware und Funktion herausgelöst sind. Ein Schatz, der darauf wartet, irgendwann einmal von einem Museum geborgen zu werden, dem sie nun bereits die fotografische Ehre erweist. Aus dem Sammlungschaos hat die Fotografin einzelne Geräte herausgelöst, ausgewählt nach dem besonderen Klang ihrer Namen, Weimar, Noris, Ernemann.
Dramatische Effekte vermeidet Ricarda Roggan, destilliert durch stetige Verdichtung und Konzentration den Purismus eines konzentrierten Moments aus der unruhigen, ungeordneten Wirklichkeit heraus. Beleuchtet werden diese geklärten Szenerien nur mit dem Eigenlicht und der Strahlkraft der Projektoren, die über ein raffiniertes System von Reflexionen auf Glasplatten und Spiegelflächen über die Wände und durch den Raum wieder auf sie zurück gelenkt und so lange gesammelt werden, bis sich die Körper, Konturen und Texturen aus dem Dunkel herauslösen. Ricarda Roggan malt mit Licht und Zeit. In ihrer nüchternen Sachlichkeit erinnern die so entstandenen Destillate an Industrie- und Werbefotografien aus den Sechziger und Siebziger Jahren, aus denen auch die Geräte stammen. Und gehen doch über bloße Produktinszenierungen weit hinaus. In der Serie Apparate laufen zwei bisher getrennte Arbeitslinien zusammen, die klärende Inszenierung eines Ortes und der Bühnenbau für kleine und große Objekte.
Je nach Wirkung hat Ricarda Roggan die Geräte schwarzweiß oder dezent farbig aufgenommen, oder auch als Diapositiv in einem Lichtkasten präsentiert, wodurch sie im Ausstellungsraum neue Spuren hinterlassen, feine Lichtschimmer auf dem Boden von Museen und Galerien. Bisweilen spiegeln sie sich in der Hängung ineinander, treten in einen stummen Dialog, ein feines Spannungsverhältnis.
Wie entrückte Wesen aus einer vergangenen Zeit wirken die Apparate, Botschafter einer Ruhe, die dem Tosen der modernen Zeit abgerungen wurde. Erweitert wird dieses Spannungsverhältnis durch eine Schallplatte mit 12 Tracks mit den ganz unterschiedlichen Arbeitsgeräuschen der Projektoren und einem Buch, in dem einige der Bilder, die ihnen in der nüchternen Inszenierung entrissen wurden, als Filmstills gesammelt sind, archetypische, selbstverständlich menschenleere Szenen des amerikanischen Actionkinos.