Melora Kuhn präsentiert ihre erste Skulpturenausstellung. Sie besteht hauptsächlich aus Frauenköpfen, geformt aus Keramik und von den Körpern gerissen, abgestützt und liegend, zerbrechlich und labil ausbalanciert. Die Augen sind geschlossen, so kann man die Trümmer anstarren, ohne den Figuren in die Augen sehen zu müssen.
Auf den ersten Blick erscheinen die Skulpturen wie antike Überreste, dargeboten wie in einem Museum. Zerbrochene Einzelteile, zusammengesetzt und mit einschlägigen Jahreszahlen versehen wie MCMLXXI. Das Publikum sieht versteinerte Geschichte, im Gedächtnis eingefroren und einem Zustand dauerhafter Unordnung preisgegeben wie die verschmierten Lippen von Kopf MCMLXXXIV, so, als hätte gerade eine Hand die dunkelrote Schminke vom Mund einer Dirne abgewischt. Bei Kopf MMVIIIfehlt der Schädel. Leer steht er da, gehalten von einem Eisengestell, und verweist auf Denkstrukturen, die eine Fassade stützen.
Laut Definition dient eine Ode der Lobpreisung oder lenkt dichterisch die Aufmerksamkeit auf etwas Besonderes. Relic bezeichnet im Englischen eine Reliquie, also die sterblichen Überreste oder Kleidungsstücke eines Heiligen, aber auch ein Relikt, ein Objekt von sentimentaler oder historischer Bedeutung. Mit Odes to Relics lenkt Kuhn unsere Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand der Verehrung, der in Geschichtsbüchern und Enzyklopädien keine Erwähnung findet: den weiblichen Kopf und Geist. Mit ihrer aktuellen Arbeit setzt Kuhn ihre Neubetrachtung geschichtlicher Themen fort. Sie nutzt Techniken wie Brüche, Überlagerungen und Ausbesserungen, um psychologische Zustände aufzuzeigen, und lenkt die Aufmerksamkeit auf die in vorherrschenden Narrativen unsichtbaren Gestalten. Kuhns Ausstellung Odes to Relics ist eine Überlebensgeschichte, ein Lobpreis der Schönheit und Stärke, die dem Körper und Geist der Frau innewohnen, und eine Huldigung ihrer Beharrlichkeit.