Als Dichterin, Schriftstellerin und Künstlerin lässt die Libanesin Etel Adnan mit ihrem seit den 1960er-Jahren entstandenen Werk alle künstlerischen Konventionen hinter sich. In ihrer Arbeit führt sie Bild und Wort zusammen, um Fragen rund um Sprache, Übersetzung, Erinnerung, Geschichte, Landschaft, Abstraktion und auch Farbe zu behandeln. Danebensind ihre Werke auchein kultureller Brückenschlag zwischen Orient und Okzident. Die Ausstellung von Etel Adnan im Mudam Luxembourg – Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean versammelt eine große Auswahl ihrer Gemälde, Zeichnungen, Wandteppiche und Leporellos, die in Zusammenschau mit Werken von Paul Klee und anderen modernen Künstlern des 20. Jahrhunderts, die sie in ihrerArbeit inspiriert haben, präsentiert werden.
Die in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee in Bern entstandene Ausstellung Etel Adnan et les modernes, deren erste Präsentation dort bereits im Sommer 2018 gezeigt wurde, bietet einen Überblick über Etel Adnans bildnerisches Werk von den frühen 1960er Jahren bis heute. Im Zentrum stehen die Beziehungen, die sie mit dem Werk und dem Denken einiger der Künstler der Moderne unterhält, allen voran mit demjenigen von Paul Klee. Zu ihm bemerkte sie im Jahr 2012: „Ich glaube Klee ist der erste Maler gewesen, in den ich mich verliebt habe. Ich war von ihm wie besessen. Mit ‚besessen’ meine ich, dass mich seine Gemälde in einen ekstatischen Zustand versetzt haben. Sie verfolgten mich. In Kairouan (in Tunesien) schrieb er: ‚die Farben und ich sind eins’. Da verstand ich, dass er von einer Offenbarung sprach.”
Und so ist es dieser Dialog mit der Moderne, der sich im ersten Saal in einer Reihe von Werken entfaltet, die gemeinsam mit Adnan ausgewählt wurden. Die Auswahl umfasst eine Reihe bedeutender Werke von Paul Klee (geb. 1879 in Münchenbuchsee, gest. 1940 in Locarno), zu denen Gemälde von Wassily Kandinsky (geb. 1866 in Moskau, gest. 1944 in Neuilly-sur-Seine), Nicolas de Staël (geb. 1913 in Sankt Petersburg, gest. 1955 in Antibes) und Georges Mathieu (geb. 1921 in Boulogne-sur-Mer, gest. 2012 in Boulogne-Billancourt) kommen. Daneben sind zwei Teppiche des Architekten Ramses Wissa Wassef (geb. 1911 in Kairo, gest. 1974 in Ägypten) zu sehen, der in den 1950er Jahren im ägyptischen Harrania ein Zentrum für künstlerische Bildteppiche geschaffen hatte. In jedem einzelnen dieser Dialoge werden zentrale Begriffe des Werks von Adnan deutlich, wie das Schreiben, die Geste oder das Weben – wobei man dieses letztere geradezu als eine Metapher für das Leben selbst sehen kann. Der Film Ismyrne (2016) des libanesischen Duos Joana Hadjithomas (geb. 1969 in Beirut) und Khalil Joreige (geb. 1969 in Beirut) liefert in einem berührenden Porträt der Künstlerin Einblicke in den historischen Kontext.
Im zweiten Saal der Ausstellung werden mehrere Ensembles jüngerer abstrakter Arbeiten von Etel Adnan gezeigt. Die Künstlerin nennt diese Gemälde „innere Landschaften”, die von Erinnerungen an wirkliche Landschaften geprägt sind. Ihr Gespür für die Landschaft zeigt sich auch in den Werken, die sie dem Mount Tamalpais widmet, einen Berg in Kalifornien, sowie in den Ansichten von New York, die sie in ihrem Film Motion (2012) zeigt. Diese Ensembles wiederum stehen in einem Dialog mit den Arbeiten zweier zeitgenössischer Künstler, zu denen Etel Adnan enge Beziehungen unterhält: zur französischen Dichterin und Malerin Eugénie Paultre (geb. 1979 in Paris) und zur libanesischen Bildhauerin Simone Fattal (geb. 1942 in Damaskus).
Etel Adnan, 1925 in Beirut geborene Tochter einer griechischen Mutter und eines syrischen Vaters, wuchs inmitten zahlreicher Kulturen und Sprachen auf und lernte Griechisch, Arabisch, Türkisch, Französisch und Englisch. Nach ihren Studien in Paris, New York und Berkeley führten sie zahlreiche Reisen nach Nord- und Mittelamerika, sowie nach Afrika. Sie lebte im kalifornischen Sausalito und lehrte von 1958 bis 1972 im College der Dominikaner in San Rafael. Weitere Stationen ihres Lebens waren Beirut, wo sie sich um den Kulturteil der Tageszeitung Al-Safa kümmerte, und die französische Hauptstadt. Neben ihrem künstlerischen Werk veröffentlichte Adnan zahlreiche Gedichtbände, einen Roman, Erzählungen, Theaterstücke und Essais. Sie gilt als eine der wichtigsten Autorinnen der arabischen Welt. Ihr Werk wurde in einigen der bedeutendsten internationalen Ausstellungen gezeigt, z. B. auf der Documenta 13 (2012). Daneben waren ihre Arbeiten in großen Einzelausstellungen in führenden Institutionen wie dem Zentrum Paul Klee in Bern (2018), dem MASS MoCA in North Adams, Massachusetts (2018), dem Institut du Monde Arabe in Paris (2017), der Serpentine Gallery in London (2017), dem Irish Museum of Modern Art in Dublin (2015) oder dem Museum der Moderne Salzburg (2014) zu sehen.