Der Titel der Ausstellung Concerning the spirit ist eine Verkürzung von Kandinskys wegweisendem Buch Concerning the spirit in art, wobei man früher den Spirit mehr als intellektuelle Kapazität verstanden hat und weniger als spirituelle Innerlichkeit. Wo kommt das Bild her? Das Abstrakte, das Imaginäre: Ist es mehr als nur ein Fragment der Mimesis? Seit die Erfindung der Abstraktion auch Hilma af Klint zugeschrieben wird, sind auch andere Lesarten der Malereigenese möglich geworden. Ist der moderne Maler eventuell ein mystischer Typ, ein Farbschamane? Vielleicht fängt die aktuelle Malerei ja mit William Blake an, einem Künstler, der seinen individuellen Kosmos baut, Schöpfer einer zweidimensionalen Welt.
Abel Auer nennt eine Zeichnung “William Bleak” und halluziniert eine andere Geschichte in unsere Realität. Als gegenwärtig taucht hier nicht unbedingt das Zeitgenössische, das Aktuelle auf, sondern Echos und Spuren aus vermeintlich entfernten Epochen. Die Bilder sind hier ein eklektizistisches Jonglieren mit den Geschichten der modernen Malerei und ihren Entwürfen. Die klassischen Avantgarden werden abgeklopft und die dekonstruierten Versatzstücke der Malerei werden zu neuen imaginären Mosaiken arrangiert. Was sind die Dinge wirklich? Ist das Abstrakte vielleicht nicht nur ein Mangel an Information? Mikroskopische Abbildungen ohne wissenschaftlichen Bezug sehen aus wie ein Kandinsky-Gemälde. Ein Zoom in die Wolken lässt Farbe so geheimnisvoll schimmern wie bei Mark Rothko.
Bei diesen Wanderungen durch die Kunstgeschichte steht der Betrachter auf einmal in einer Landschaft und entdeckt dort klassizistische Ruinen – oder sind es Zitate DeChiricos und dessen Rückgriffe auf die Antike? Ein Spiegelkabinett aus Zitaten, in dem die Zeit in ihrer Linearität gebrochen wird. In dieser Zeitlosigkeit wird die Malerei von der Kultur entkoppelt und wird das Humane per se, die sich wie der Mensch an der Schnittstelle zwischen dem Realen und dem Imaginären/Idealen manifestiert, wo dieser Transfer noch nicht durch Sprache zum Code wird, sondern sich noch in freier, intuitiver Form darstellt, und das ist vielleicht gerade heutzutage von Bedeutung, wo digitale, codierte Intelligenzen mit ihren algorithmischen Wahrnehmungen auf unsere Gehirne zugreifen.
Abel Auer (*1974 in München) wurde in den Neunzigern in Hamburg als Maler bekannt, wo er die „Akademie Isotrop“ mitbegründet hat und auch später in Gruppen zusammengearbeitet hat z. B. mit Kai Althoff und Dorota Jurczak. Seit den frühen Nullerjahren hat auch international ausgestellt . Neben Fine-Art-Malerei macht er Kunst in der Counterculture, Plattencover, Videos. Er schreibt über Musik und Kunst und kuratiert gelegentlich.Außerdem ist er Professor an der HfBK Hamburg.