Die Ausstellung Ho Tzu Nyen: Time and the tiger bietet eine Reise durch die verschiedenen Facetten der Geschichte Ost- und Südostasiens.

Ho Tzu Nyen (1976, Singapur) erschafft Filme, Videoinstallationen und Virtual-Reality-Arbeiten, in denen er vielfältige kulturelle Einflüsse aus Ost und West miteinander verbindet: mythische Erzählungen, Kunstgeschichte, Philosophie, Kino, Musik, Theater und Animationsfilme sowie Bilder aus dem Internet. Im Zentrum seines künstlerischen Schaffens stehen seine Reflexionen über die Geschichte – darüber, wie sie geschrieben und überliefert wird, sowie über die Rolle von Erzählungen, Mythen und Fiktion innerhalb der historischen Überlieferung. Diese Überlegungen manifestieren sich in Werken, deren Ausgangspunkt häufig im südostasiatischen Kontext verortet ist – einer Region, die durch ihre Vielfalt an Identitäten, Sprachen, Religionen, Kulturen und Einflüssen geprägt ist. Ihre „Einheit“, so betont der Künstler, scheint vor allem in ihrer Pluralität und Wandlungs-fähigkeit zu liegen.

Time & the Tiger vereint fünf großflächige Videoinstallationen, die zwischen 2017 und 2023 entstanden sind. Die Ausstellung konzentriert sich auf zwei Motive, die Ho Tzu Nyen im Ausstellungstitel besonders hervorhebt: die Zeit und der Tiger.

Für Ho Tzu Nyen ist die Zeit nicht linear, sondern besteht aus Windungen, Schleifen und Wirbeln. Er betrachtet sie als das zentrale Material seiner Arbeit: „Manchmal denke ich, dass das eigentliche Medium, mit dem ich arbeite, die Zeit selbst ist. Man könnte sagen, dass bewegte Bilder wie Filme nur Versuche sind, der Zeit eine Form zu geben“, erklärt er.

Das Tigermotiv verkörpert bei Ho Tzu Nyen bereits seit seinem ersten Werk eine nichtlineare Auffassung von Geschichte und Zeit. Der Tiger, den es in Asien bereits seit rund zwei Millionen Jahren gab, besetzte in den alten Kulturen Südostasiens einen zentralen Platz, indem er die Verbindung zu den Geistern der Ahnen ermöglichte und zwischen der Welt der Menschen und der der Tiere vermittelte, bevor er nahezu ausgerottet wurde. Noch heute spielt er eine wichtige kulturelle und symbolische Rolle in den Vorstellungswelten der Region. Für Ho Tzu Nyen ist der Tiger eine geisterhafte Gestalt an der Schwelle, die in der Lage ist, Raum und Zeit zu überwinden. „Dieses Weltverständnis wurde mitsamt den Tigern während der Kolonialzeit ausgerottet … Doch in dieser Geschichte ist der Tod nicht das Ende. Stattdessen sehen wir, wie der Tiger in verschiedenen neuen Formen immer wieder zurückkehrt“, erklärt der Künstler.

Mit Time and the tiger lässt Ho Tzu Nyen die Besucher:innen eintauchen in ein Universum von großer Dichte, in dem eine Vielzahl von Bildern und Klängen, Mythen und Erzählungen, von historischen Strömungen und geografischen Entwicklungen, von realen und fiktiven Figuren, sowie von menschlichen und tierischen Existenzen miteinander verwoben sind.