Daniel Marzona freut sich, die erste Einzelausstellung mit neuen Arbeiten von Sarah Loibl (*1987 in München) anzukündigen.
Sarah Loibls Bilder thematisieren auf vielschichtige Weise das Ineinandergreifen von Körperlichkeit, Bewegung und Raum.
Die in ihrem Konvolut Möglichkeiten vor dem Modell erarbeiteten Setzungen halten Gesten, Posen, Bewegungen des menschlichen Körpers auf transparentem Papier fest, ohne sie einzufrieren. Die Flüssigkeit der eingesetzten Malmittel entspricht der Flüchtigkeit des sich auf den Papierbahnen in Andeutungen und als Spuren ablagernden Geschehens.
Dieser Bildspeicher, den Loibl ihren wandbezogenen Arbeiten im Ausstellungsraum einmal nonchalant als ungeordneten Stapel loser Blätter auf einem Rolltisch hinzugesellte, wird auf zweifache Weise genutzt und umgearbeitet. Zum einen dient das Material auf Transparentpapier zur Erarbeitung von Collagen, Montagen und Schichtungen, in denen Fragmente einzelner Blätter gegeneinander gesetzt werden, so dass imaginäre Bildräume entstehen, in denen das Körperliche den Gesetzen der Schwerkraft entzogen, ein oben und unten nicht immer als ausgemacht und die Gleichzeitigkeit von gegensätzlichen Bewegungen als immer möglich erscheint.
Zum anderen, in den Realraum überführt, begegnen uns einzelne der in den Collagen zusammengefügten Motive auf monumentalen Bildern wieder, die bis zu 360 x 260 cm messen und auf transparenter Gaze gearbeitet sind. Der Schwung und die Dynamik der Bewegung, die ihre vorbereitenden Zeichnungen auszeichnen, geht auf den großformatigen Bildträgern nicht verloren. Dennoch fordern die vier an der Wand lehnenden und den Betrachter überragenden Bilder, die zusammen die Arbeit Vier Möglichkeiten gegen eine Wand zu rennen bilden, eine veränderte Haltung des Betrachters ein. Eine gewisse Beweglichkeit des Geistes, die es erfordert, den teils disparaten Fragmenten körperlicher Bewegtheit der collagierten Malereien zu folgen, wird auch hier gleichsam vorausgesetzt und ermöglicht. Doch ohne ein Mindestmaß an körperlicher Aktivität seitens des Betrachters sind sie in ihrer Komplexität nicht angemessen zu begreifen. Sie wollen umschritten werden und stiften eine sich je nach Standpunkt immer wandelnde Beziehung zwischen Raum, Bild und Betrachter. Je nach Lichteinfall und Position verändern sich die Schattenwürfe, welche die opaken Zonen der Bilder an die Wand werfen.Im Maßstabssprung evozieren diese Bilder eine nahezu bühnenhafte Theatralik, ohne uns in Erhabenheit zu überwältigen. Sie schließen einfach den Handlungsraum der Malerei mit dem realen Raum, in welchem diese wahrgenommen wird, kurz und beziehen so die Körperlichkeit des Betrachters auf komplexe Weise auf die fragmentierte Körperlichkeit des Dargestellten.
Dass es Sarah Loibl neben allem anderen auch darum geht, ihre Arbeiten offen zu halten, sich dem Diktat des meisterhaft Fertigen zu widersetzen und stattdessen den Prozess des Machens als Bewegung und Verschiebung, wie auch den Prozess der Wahrnehmung zu betonen, mag sich daran zeigen, dass drei der großformatigen Bilder als gleichwertige Möglichkeit auch als hintereinander an die Wand gelehnten Stapel gezeigt werden können. So angeordnet ergibt sich eine Abstraktion, die dennoch auf Spuren von Bewegung verweist und ein dynamisches Bildgeschehen spürbar werden lässt. Und das bliebe dann nur eine von drei Möglichkeiten gleichzeitig gegen drei Wände zu rennen.