Vor dem Hintergrund einer sich immer schneller um sich selbst drehenden Kunstwelt, die nahezu im Wochenrhythmus die allerneuesten Trends propagiert um morgen schon wieder die Großartigkeit von etwas noch Neuerem zu preisen, mutet die Langsamkeit und Beharrlichkeit, die der Arbeit von Jörg Gelbke zu eigen ist, seltsam anachronistisch an. Das mag zum einen daran liegen, dass sich der Künstler schon während des Studiums vornehmlich für traditionelle Verfahren der Gusstechnik interessierte, die bis heute die Prozesse der Herstellung seiner Arbeit prägen. Zum anderen spielt die Zeitlichkeit der Abläufe, die zu den skulpturalen Ergebnissen hinführen, eine entscheidende Rolle für das Konstituieren ihrer Bedeutung.
Wie George Didi-Hubermann in seinem Buch „Ähnlichkeit und Berührung“ ausführt, hafteten dem Gussverfahren in der neueren Kunstgeschichte lange zwei vermeintliche Makel an. Zum einen produziere die Gusstechnik nichts Originelles, da sie im Wesentlichen auf dem blinden Abdruck von bereits Existierendem beruhe und zum anderen können die auf dem Abgussverfahren basierenden Formen auch noch beliebig in identischer Form wiederholt werden, um so das Ideal des Originals noch weiter auszuhöhlen. Jörg Gelbke macht in seiner Arbeit beide vermeintlichen Makel der Tradition auf überraschende Weise produktiv. Für die Arbeit „Ohne Titel“ (2014) nahm er beispielsweise drei verschieden Abdrücke eines banalen Objektes – einer gefundenen, auf das Maß von 187 cm zurecht geschnittene Eisenstange. Der Tonabdruck wird luftgetrocknet und dabei rissig, die Gelatineabformung wird über einen längeren Zeitraum im Boden vergraben und ihrer teilweisen Zersetzung ausgesetzt, während ein Bronzeabguss der Eisenstange nach der Herstellung übermäßiger Hitze ausgesetzt wird, die ihn unkontrollierbar verformt. Als Ergebnis dieser Prozesse – sowohl der Tonabdruck als auch die Gelatineabformung wurden ebenfalls in Bronze abgegossen – sehen wir drei auf demselben Objekt basierende, sich in ihren Merkmalen aber stark voneinander unterscheidende Bronzestangen, die lapidar an den Wänden des Ausstellungsraumes angelehnt sind.
Einem vergleichbaren Verfahren entspringen drei zu einem Objekt von seltsam anmutender Monumentalität zusammengeschweißte Eisenabgüsse einer gefundenen Baumwurzel („Uprooted Object“, 2015), für die drei PU-Schaumabformungen in der Erde vergraben und schließlich in Eisen abgegossen wurden. Indem es Gelbke gelingt seinen Skulpturen eine Zeitlichkeit – hier vielleicht besser Dauer – einzuschreiben und die Prozesse ihres Werdens in den Mittelpunkt zu rücken, formuliert er gleichsam einen unauflösbaren Widerspruch innerhalb des Mediums selbst, das ja eigentlich auf Unmittelbarkeit und Berührung beruht.
Dass man das künstlerische Projekt von Jörg Gelbke bei aller konzeptuellen Präzision auch in seiner poetisch-romantischen Dimension würdigen kann, zeigt sich klar in der Arbeit „Ohne Titel“ (2012). Hier wurde das Innere eines selbst gebauten Ofens nach der Verhüttung von 15 kg Kupfer mit Wachs ausgegossen, so dass ein materialträchtiges Denkmal für einen Prozess entsteht. Immer wieder sucht Gelbke in seiner Kunst das, was eigentlich nicht zu haben ist, nämlich dem Unabgeschlossenen und dem Werden eine dauerhafte Form zu verleihen. Dass uns die Resultate dieses notwendigen Scheiterns sowohl intellektuell als auch emotional zu berühren verstehen, bezeugt ihre bildhauerische Qualität.