Die aktuelle Ausstellung zeigt Gemälde einer fortlaufenden Serie mit dem Titel formula, die zum ersten Mal in den Räumen der Galerie EIGEN + ART Berlin präsentiert werden. Diese Gemälde sind Studien, die zu einem größeren Ensemble von Arbeiten über die Übersetzung mathematischer Formeln in Graphen gehören. Vom Künstler manipuliert, werden verschiedene mathematische Formeln auf Gesso grundierte Leinwände übertragen und dienen als Werkzeuge für den Zeichenprozess. Carsten Nicolai greift hierbei auf den klassischen Begriff von Malerei zurück, da der Prozess der Herstellung dieser Arbeiten sehr stark an diesen erinnert; und zugleich entfremdet, da das Operieren mit Zufallsgeneratoren und Formeln diesem entgegensteht.
„Konstruktion als chiffrierte Information“ könnte man die Methodik dieser Serie benennen. Einen durch mathematische Formeln generierten Übergang von Kontrolle und Zufall in eine perfekte Ordnung: Die Formel, ein Gestaltungselement.
Der Künstler nimmt direkten Bezug auf das Werk des Komponisten Iannis Xenakis, dessen Musik sich aus Denkmodellen der modernen Mathematik und Physik erklärt, und schafft eine Zone, in der die Auseinandersetzung und Anwendung von Mathematik, Physik, Statistik, Spieltheorie und randomisierten (zufallsgenerierten) Prozessen eine autonome Rolle in der Anordnung bei der Entstehung dieser Bildwelten spielen. Formen und Strukturen sind überall zu finden, so Xenakis, in der Biologie, Paläontologie, in der Astrophysik und der Nuklearphysik. Sie liefern hervor-ragende Modelle, nicht um imitiert zu werden. Wohl aber, um anzuregen und eine Erschütterung hervorzurufen.
Carsten Nicolais bifoliate erinnern an Formen einer belebten und unbelebten Natur, an Symmetriestrukturen aus der Botanik (Blatt, Blüte, Knospe). Andere Muster wiederum zeichnen Sinus- bzw. Wellenformen auf die Oberfläche der Gemälde. Die Arbeiten gauss, bessel, fourier oder lissajous sind abgeleitet nach Formeln der Mathematiker und Astrophysiker Carl Friedrich Gauß, Friedrich Wilhelm Bessel, Joseph Fourier und Jules Antoine Lissajous. Der Betrachter wird förmlich in die „Bahnen“ der einzelnen Graphen hineingezogen. Der Serie ist eine gewisse Musikalität nicht abzusprechen, da die Muster ebenso auf eine auditive Ebene übertragbar (also transponierbar) sind. Die einzelnen Formen und Muster „bespielen“ also den Galerieraum in einer Art „Score“ (Notation) von gefrorenem Sound.
Mit formula setzt Carsten Nicolai sein Œuvre, inspiriert von der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Referenzsystemen und mathematischen Mustern, fort. Ohne dabei in keinster Weise das vornehmlich Sinnliche und Poetische in seinem (Gesamt-)Werk zu negligieren.