Überlebensgroß kniet sie mit hochgeschobenem Hemd auf einem Tisch. Auf ihre Göttlichkeit weist nur der Weihrauch hin, der ab und an aus einer Körperöffnung qualmt. Unbeeindruckt von Betrachter_innen zupft sie sich zutiefst menschlich mit einer Pinzette ein Barthaar. In ihrer Intimität ist sie der repräsentativen Darstellung olympischer Gottheiten diametral entgegengesetzt. Das ist Hera von Ines Doujak. Mit ihr startet der Zyklus zeitgenössischer Positionen 2018 im Oberen Belvedere.
Geläufig ist sie uns als Gemahlin des Zeus, als Inbegriff von Herd und Familie oder betrogene Gattin: Hera, die antike Göttin. Im Oberen Belvedere ist sie nun aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Sie gewährt den Bertrachterinnen Einblick in einen intimen, menschlichen Moment. Hera von Ines Doujak ist die erste einer Reihe von Positionen, die ab 2018 die Neupräsentation der Sammlung im Oberen Belvedere begleiten. Sie alle werden Bezug auf die mythologischen Fresken im Carlonesaal des Schlosses nehmen. In einem halbjährlichen Rhythmus entwickeln Künstlerinnen in diesem Ausstellungsformat Positionen zum barocken Bildprogramm im Erdgeschoss des Belvedere. Sie schlagen eine Brücke von der antiken Götterwelt Apolls und Dianas bis in die Gegenwart.
Doujaks Werk thematisiert gesellschaftskritische Fragen nach Geschlechterregeln, sozialen Normen und Stereotypen. Mit pointierter politischer Treffsicherheit lässt sie dabei auch Spielraum für Ironie und subtilen Humor. Die Künstlerin, die 2007 mit ihrer Arbeit Siegesgärten an der documenta 12 teilnahm, arbeitet bevorzugt mit den Medien Fotografie, Installation und Konzeptkunst. Ines Doujak, 1959 in Klagenfurt geboren, lebt und arbeitet in Wien.
Die Position Hera von Ines Doujak wird am 1. März 2018 im Oberen Belvedere gemeinsam mit der neuen Präsentation der Sammlung eröffnet. Die zweite Position für das Jahr 2018 wird von David Zink Yi gestaltet werden.