Walter Pichlers in den Jahren von 1960 bis 1963 entstandene Alte Figur wurde 2018 vom Belvedere gemeinsam mit dem Verein Freunde des Belvedere erworben und ist nun Teil der Sammlung des Museums. In der Reihe CARLONE CONTEMPORARY wird sie ab November 2019 im Oberen Belvedere präsentiert. In der Skulptur manifestieren sich Pichlers elementares Kunstverständnis und die konsequent verfolgten Parameter seines Schaffens.
Stoizismus, technische Präzision und Präsentation von Alte Figur lassen an archaische Artefakte denken. Mit klarer Geometrie und axialer Ausrichtung tritt die Skulptur den barocken Fresken von Carlo Incenzo Carlone entgegen. Stehend, sitzend oder liegend bettet Pichler sie auf ein Matratzenlager, das zugleich Sockel, Wohnstatt und Thron ist. Die unmittelbare Verbindung von Leben und Werk ist im Schaffen des Künstlers zentral: So positionierte er die Installation ursprünglich neben seinem Bett im eigenen Atelier. Mit Alte Figur nimmt Pichler das Hauptthema seiner späteren Arbeit vorweg, Raum, Skulptur, Material und Zeit als Einklang zu konzipieren.
Walter Pichler, 1936 in Südtirol geboren, gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Nachkriegsavantgarde in Österreich. Von 1955 bis 1959 studierte er an der Akademie für angewandte Kunst in Wien, darauf folgten Aufenthalte in Paris, New York und Mexiko. Neben Hans Hollein, Raimund Abraham, Heinz Geretsegger, Oswald und Ingrid Wiener war Walter Pichler Teil der Gruppierung „Englische Flotte“, die für einen visionären Architekturbegriff stand und sich für skulpturale Architektur und städtebauliche Utopien interessierte. 1967 zeigte das MoMA in New York Pichler, Hollein und Abraham in der Schau Visionary Architecture. Auf der 4. documenta im Jahr 1968 präsentierte Pichler seine Prototypen, 1977 stellte er auf der documenta 7 aus. 1982 gestaltete er auf Einladung von Kommissär Hans Hollein den österreichischen Beitrag zur Biennale von Venedig. Der Erwerb eines Anwesens in Sankt Martin im Burgenland in den 1970er-Jahren markiert einen Wendepunkt in Pichlers Œuvre: Sukzessiv zog sich der Künstler aus der Öffentlichkeit und dem Kunstbetrieb zurück und fokussierte ganz auf seine bildhauerische Arbeit. Hier verknüpfte er seine Objekte sowohl physisch – mit eigens für sie gefertigten Häusern oder gestalteten Umgebungen – als auch konzeptuell mit der Hofanlage in Sankt Martin. Walter Pichler starb 2012 in Wien.