2017 in Stella Hambergs Atelier, einer Halle an der Skulpturengießerei in Berlin. Zwei bronzene Beine ragen 2,3 Meter hoch und unverbunden aus einer Sockelplatte in den Raum. Grobe Oberflächen und entschieden strukturierte wechseln sich ab. Der Tonfall ist laut, fast roh. Die zwei Stelen enden in Bauchhöhe, nach oben ausufernd. Der Spalt zwischen den Säulen, eine schmale Lichtlinie, lenkt die Aufmerksamkeit auf den Um- und Innenraum der Figur. Sie steht sicher auf angedeuteten Füßen, die sich in alle Himmelsrichtungen verankern, und scheint sich dennoch als reiner Kontrast zum Umraum aufzulösen.
Darüber balanciert ein Stamm in 3 Meter Höhe, ausladend auf einem fragilen Dreifuß. Hamberg kommentiert, dass es sich um Robinienholz handelt, das zu allen Zeiten wegen seiner Witterungsbeständigkeit zum Einzäunen von Äckern und Weideland verwendet wurde.
Auf dem Boden amorph anmutende Plastiken aus Gips. Manche erinnern an Köpfe, andere bleiben in einer rätselhaften Schwebe zwischen Negativform und Positivkonstruktion. Das plastische Vokabular ist in den neuen Arbeiten vereinfacht, auf eine Essenz reduziert. Feine Ausarbeitung verschwindet zugunsten der Konstruktion als solcher, und mit der Entscheidung, Gips und Holz statt Ton und Eisen als Aufbaumaterial der Plastiken zu verwenden, ändert sich die Methode grundsätzlich.
Gips, der einen begrenzten zeitlichen und formalen Spielraum der Modulation bietet und den Hamberg sonst nur zum Aufbau von Negativformen verwendet, ist nun das Material des eigentlichen Bildes. Gleichzeitig aber auch Teil eines Gedankenspiels um Negativ- und Positivräume, das über einzelne Plastiken hinaus weitertreibt, in den Raum hinein, und Ensembles aus unterschiedlichen Objekten bildet. Es sind erstmals seit Alexander (2004) wieder Szenarien, Bühnen, Raumbilder, die aus einer stetigen Beschäftigung mit dem Gegenstand ineinanderwachsen.
Ein weiteres Mal wird deutlich, dass die formalen Richtungswechsel der Notwendigkeit folgen, den verhandelten Gegenstand mit der Methode der Darstellung zu verknüpfen und so eine Integrität zwischen der Handlung und dem behandelten Gedanken zu erreichen. Nicht eine bloße Änderung der Motive oder des Sujets, sondern die eigene Herangehensweise an jeden neuen Gedankengang erzeugt eine Verbindlichkeit zwischen Methode und Inhalt, den Polen der Kunst.
Die Spannung im Aufeinandertreffen von schnellem und zeitintensivem Material – Bronze, Glas, Holz, Gips, Eisen, Pappe, Kunst und Naturstein sowie Alltagsgegenständen, gelebten, industriell produzierten und handwerklichen – thematisiert bereits Kernfragen der Kunst. Doch geht es hier nie ausschließlich um eine konzeptuelle Zusammenstellung, die auf Sensibilität für Materialien und formale Zustände setzt. Hambergs Arbeiten bleiben nahe an der Figur, der Erzählung, dem Gegenstand und erzeugen in der absolut gleichwertigen Behandlung der unterschiedlichen Formen, künstlicher und natürlicher Stoffe, intensiv bearbeiteter und roher Materialien, eine völlig eigenständige, rätselhafte Poesie.