Hauser & Wirth Zürich freut sich, ‘Bernd und Hilla Becher’ zu präsentieren. Die Ausstellung bietet einen Überblick über die betont sachlichen Fotografien von Industriebauten, welche die beiden Ikonen der Konzeptfotografie ab den späten 1960er- bis in die frühen 1990er-Jahre aufgenommen haben. Den Fokus der Ausstellung bilden fünf Sujets, die bezeichnend für das Oeuvre von Bernd und Hilla Becher sind: Hochöfen, Kühltürme, Gasbehälter, Wassertürme und Fördertürme. Die 17 Fotografien wurden für diese Ausstellung von Max Becher, dem Sohn der beiden Künstler, gemeinsam mit Olivier Renaud-Clément ausgewählt. Sie belegen Bernd und Hilla Bechers unermüdliches, über 40-jähriges Engagement für die Dokumentation urbaner Formen und ihr Vermächtnis als führende Vertreter der Konzeptfotografie. Als Professoren für Fotografie an der Kunstakademie Düsseldorf haben die beiden eine ganze Generation von Konzeptfotografen direkt beeinflusst, unter anderem Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff und Thomas Struth.
Bernd Becher und Hilla Wobeser begegneten sich 1957 während ihres Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf. Kurz darauf nahmen sie ihre Zusammenarbeit auf, bei der sie Bauten in ihrem Heimatland Deutschland fotografierten und damit die sich rasch verändernde Landschaft der frühen 1960er-Jahre für die Nachwelt festhielten. Alle Fotografien, die mit einer Grossbildkamera im Format 20 x 25 cm aufgenommen wurden, entstanden nach strikter Einhaltung eines Kriterienkatalogs, so auch bei ‘Zeche Hannibal, Bochum, Ruhrgebiet, D’ (1973). Die Bilder wurden in Frontalansicht mit dem gleichen Objektiv an einem bewölkten Tag aufgenommen, um Schattenwürfe zu vermeiden, und sind stets menschenleer. Ihre Gleichartigkeit wird durch reine Schwarz-Weiss-Abzüge in gleicher Grösse und die häufige Präsentation in Rastern verstärkt. Diese Form einer visuellen Ordnung ist unter anderem für August Sander bezeichnend, einem Vorläufer der beiden Fotokünstler. In seinem Opus magnum ‘Menschen des 20. Jahrhunderts’ gruppierte der Vertreter der ‘Neuen Sachlichkeit’ die von ihm porträtierten Personen in vorgegebenen soziologischen Kategorien.
Durch den systematischen Ablauf, der beim Fotografieren jedes Baus eingehalten wurde, werden die Formen und Umrisse jedes Gasspeichers oder Stahlofens mit höchster Genauigkeit und ohne jegliche Beeinträchtigung durch äussere Faktoren dargestellt. Oft wurden die Fotografien nach Anlagentyp in Gruppen unterteilt und systematisch im Rasterformat präsentiert, wodurch die visuelle Typologie eines Gebäudetyps geschaffen wurde. Dieses Format ermöglicht dem Betrachter, gemeinsame Merkmale der Funktion der Bauten zu erfassen und zugleich Unterschiede in ihrer Erscheinung zu erkennen – Facetten, die auf der geografischen, historischen und ökonomischen Bedingtheit der Anlagen beruhen Bernd und Hilla Becher bezeichneten die Sujets ihrer Fotos als ‘anonyme Skulpturen’ und tatsächlich treten diese als einzigartige skulpturale Formen aus ihren Abzügen hervor. In einer vom Minimalismus dominierten Zeit entwickelten sich die beiden zu Konzeptkünstlern, indem sie Wassertürme, Gasspeicher und Hochöfen als Skulpturen neu erfanden und die Haltung der nächsten Generation zur Kunstfotografie prägten. In ‘EschAlzette, L’ (1980) beherrscht der Wasserturm eindeutig den Bildausschnitt, die Wölbung des Wasserspeichers sticht vor dem fast gleichmässig ebenen Hintergrund wie ausgeschnitten hervor. Zudem bewirkt ein quer verlaufender Metallträger, dass sich der Turm noch stärker vom Hintergrund abhebt. Die Reinheit der Form ihrer Sujets lässt sich auch an den Hochöfen von ‘Terre Rouge, Esch-Alzette, L’ (1979) und ‘Ilsede / Hannover, D’(1984) erkennen. Jede Anlage ist eine funktionelles Gewirr von Metallröhren, Treppen, Öfen, Plattformen und Kammern, doch durch Bernd und Hilla Bechers technischen Blick wird die Zweckmässigkeit des Hochofens zu einem minimalistischen Kunstwerk erhoben. Als abstrakte Formen legen die Anlagen ihre historische Bedingtheit ab und durch ihr Bekenntnis zur Uniformität erreichte das Künstlerpaar eine minimalistische Vision.
Die höchste Anerkennung für ihre Überführung der Fotografie in den Minimalismus und vielleicht in eine neue Kunstform erhielten Bernd und Hilla Becher 1990, als sie Deutschland an der Biennale in Venedig vertraten und für ihre Präsentation mit dem Goldenen Löwen in der Sparte Skulptur ausgezeichnet wurden. Dank der erheblich grösseren, eigenständigen Abzüge, die in der Ausstellung bei Hauser & Wirth gezeigt werden, tritt der skulpturale Charakter der Fotografien markant hervor. 1996 begann das Künstlerpaar, gewisse Fotografien für grössere Abzüge (60 x 50 cm) als die in Rastern präsentierten Bilder auszuwählen. Dafür zogen sie Aufnahmen heran, die ihrer Meinung nach für sich stehen und den Betrachter einzeln ansprechen können.
Das grössere und von den Fotografen bewusst nur für einzelne Abzüge gewählte Format der Fotografien ermöglicht einen einzigartigen Zugang zu den Arbeiten.
Mit ‘Bernd und Hilla Becher’ führt Hauser & Wirth die Auseinandersetzung mit der Konzeptfotografie fort. Neben der Gruppenausstellung ‘Serialities’ bei Hauser & Wirth New York, 22nd Street, in der Bernd und Hilla Becher ebenfalls vertreten waren, fand kürzlich in diesem Rahmen eine Einzelausstellung zu August Sander bei Hauser & Wirth New York, 69th Street, statt. Begleitend zur Ausstellung und in Zusammenarbeit mit dem Migros Museum für Gegenwartskunst, zeigt Hauser & Wirth am 17. Oktober, um 18:30 Uhr den Film ‘Die Fotografen Bernd und Hilla Becher’ von Marianne Kapfer