Hauser & Wirth Zürich präsentiert im September an der Limmatstrasse die bisher umfangreichste Übersicht von Günther Förgs Papierarbeiten, mit Werken aus mehr als 30 Jahren. Die Arbeiten auf Papier sind ein zentraler Teil von Förgs multidisziplinären Praxis. Sie entstanden als eigenständige Werke und nicht als Skizzen oder Studien für seine Gemälde. Die mit unterschiedlichsten Materialien gestalteten Werke – von Aquarellüber Acryl- und Ölfarben bis hin zu Kohle, Kreide und Tusche – waren sogar häufig von Förgs experimentellen grossformatigen Arbeiten auf Leinwand inspiriert. Gezeigt werden nicht nur bekannte Serien wie etwa die Gitter-, Farbfeld- und Tupfenbilder, oder die Werke in Grautönen, sondern auch weniger Bekanntes, wie Frühwerke aus Förgs Studienzeit in München und spätere Serien wie Mostly landscapes.

Viele der Papierarbeiten sind hier zum ersten Mal zu sehen. Günther Förg, der auch als Zeichner, Maler, Fotograf und Bildhauer tätig war, zeigt sich in der Ausstellung als mutiger Konzeptualist. Er integriert und kritisiert Themen des Modernismus und setzt das Konzept der gestischen Abstraktion auf sinnliche Weise um. Mit seinen Arbeiten auf Papier gibt Förg einen Einblick in die Art und Weise, wie er sich mit diesen Themen auseinandersetzte: indem er die Grenzen seiner eigenen Bildsprache durch immer wieder neu arrangierte Farben und Formen stetig erweiterte. Förg entzieht sich jeder einfachen Kategorisierung, denn er spielte unvoreingenommen mit kunsthistorischen Bezügen auf Werke von Blinky Palermo, Paul Klee, Barnett Newman, Mark Rothko, Cy Twombly, Edvard Munch und anderen an, um Neues daraus zu schaffen.

Der in Füssen (Deutschland) geborene Günther Förg gilt als einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit. Die frühesten hier gezeigten Werke entstanden 1975, als Förg bei Karl Fred Dahmen, einem der einflussreichsten Künstler des Informel, an der Münchner Akademie der Bildenden Künste studierte. Die mit Landschaft (1976) und Green Paul Veronese (1975) betitelten Werke – letzteres ein Verweis auf ein vom Renaissancemaler Paolo Veronese verwendetes Grünpigment – erinnern zwar an Landschaften, sind jedoch deutlich abstrakt, indem sie ihre visuelle Sprache durch das experimentelle Spiel mit Farben und Formen erweitern. Diese Werke sind frühe Beispiele von Förgs Interesse an Künstlern wie Blinky Palermo oder Cy Twombly, deren Werke er während seines Studiums kennenlernte.

Nach einer kurzen Pause in der sich Förg vorallem der Fotografie widmete, griff er Mitte der 80er Jahre wieder auf das Medium der Malerei und Zeichnung zurück. Er schuf eine Reihe von Farbfeld-Arbeiten, die sich in einem komplexen Dialog mit den experimentellen Werken von Künstlern wie Mark Rothko und Barnett Newman auseinandersetzten. Wobei Förg mit seiner unangestrengten, gestischen Unmittelbarkeit die Ästhetik des Erhabenen seiner Vorgänger untergräbt.

Förgs Gitterbilder, eine Serie der er sich ab Mitte der 1990er Jahre widmete, bedeutete eine völlige Abkehr der Farbfeldtechnik und eine Ausdehnung seines gestischen Schaffens. Die in der Ausstellung gezeigten Beispiele sind Wasserfarbe auf Papier, wo Förg das Gitter, ein Emblem des Modernismus, weiter entwickelt, und die Grenzen zwischen negativem und positivem Raum verwischen.

In seinen Werken in Grautönen, eine Serie deren Anfänge in den 1970er Jahren liegt, entwickelt Förg dieses Konzept weiter. Die in Zürich gezeigten Beispiele stammen aus den 1990er Jahren, wo er verschiedene Bildebenen erarbeitet indem er zunächst schwarzes Gesso auf Karton aufträgt und darüber geometrische Schraffuren in Form von verwaschenen Kreidestrichen setzt, und so eine farbliche Komplexität von unendlich vielen Grautönen innerhalb des dekonstruierten Gitters in seine Arbeit einführt.

Die Ausstellung präsentiert auch ein von Förg geschaffenes Exemplar der Grau-Variationen, eines seiner Schachbrettbilder, wo er die Form des Gitters, inspiriert von Paul Klees geometrischen Kompositionen, weiter erforscht. Eine Weiterentwicklung dieses Motivs findet sich in einer selten gezeigten Arbeit auf Papier, Decke IV, die 1998 im Rahmen einer Serie von Bildern entstand und vom post-impressionistischen Maler Pierre Bonnard inspiriert wurde. Das geometrische Muster eines orange-roten Tischtuchs, ein Motiv, das auf etlichen Werken Bonnards zu sehen ist, zeugt hier für die komplexe kritische Auseinandersetzung Förgs mit der Ästhetik des Modernismus.

Die nach der Jahrtausendwende entstanden Mostly landscape Bilder, ausdrucksstarke Aquarelle oder Gouachen, in denen der Künstler Landschaften abstrakt abbildete, werden zusammen mit einigen der späteren Zeichnungen Förgs präsentiert, wo er Kohle und Öl in gestischer Mark-Making-Technik aufbrachte und so den Negativraum des Papiers erkundete. Die für diese Bilder typisch expressiven Pinselstriche hatte Förg im Zusammenhang mit einer seiner letzten Serien entwickelt, seinen zwischen 2005 und 2010 entstandenen Tupfenbildern. In diesen Arbeiten auf Papier veränderte Förg die Gitterstrukturen seiner früheren Bilderserie in rhythmische, gestische Schraffuren, die über das Papier zu gleiten scheinen und jede frühere Wahrnehmung von Ordnung auflösen. Hier wird der Pinselstrich selbst zum zentralen Protagonisten, sinnbildlich für die ultimative Rückkehr zur expressiven Malerei, was in gewisser Weise eine Vollendung darstellt, ein sich schliessender Kreis in Förgs Ansatz zur Malerei – eine in der Kunstgeschichte verwurzelten Synthese des Experimentierens.

Nahezu gleichzeitig, vom 15. Oktober bis zum 14. Dezember 2024, präsentiert das Maison La Roche eine Einzelausstellung zu Förg in Paris.