Das Museum für Asiatische Kunst hat Anfang Januar 2017 seine Pforten in Dahlem geschlossen, um die Neuaufstellung im Humboldt Forum vorzubereiten. Eine erlesene Auswahl seiner herausragenden Bestände wird in den nächsten Monaten in der ständigen Ausstellung des Kunstgewerbemuseums präsentiert. Werke beider Museen treten in einen assoziativen Dialog. Diese Form der Präsentation verdeutlicht den regen und bereits seit Jahrhunderten stattfindenden Transfer von Materialien, Techniken, Formen und Motiven zwischen Europa und Asien. Die Präsentation wird sukzessive in Form von fünf thematischen Diskursen eingerichtet und ist ab Dezember 2017 bis voraussichtlich April 2019 in ihrem gesamten Umfang zu sehen.
Der Kimono und sein Einfluss auf die westliche Mode stehen im Mittelpunkt des neuen Diskurses ab dem 21. September 2017.
Bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts waren erste Kimonos nach Holland gelangt, welches seit 1623 das Monopol auf den Handel mit Japan hielt. Bequem und zugleich luxuriös erlangten sie in der gesamten westlichen Welt schnell große Beliebtheit und wurden zum bevorzugten häuslichen Kleidungsstück des wohlsituierten Herren, der es über Hemd und Culotte anlegte. Um die große Nachfrage zu decken, fertigte man die Gewänder bereits damals aus einheimischen Stoffen, wie der Banyan des Kunstgewerbemuseums – 2003 mit der Sammlung Kamer/Ruf erworben – belegt: Es ist ein bodenlanger, verschlussloser Mantel aus flaschengrünen Seidendamast, um 1730/40 in England oder den Niederlanden gewebt. Sein schlichter Schnitt bringt das Muster des Seidengewebes besonders gut zur Geltung.
War die Mode der Banyans im 17. und 18. Jahrhundert den Herren vorbehalten, so entdeckte die Pariser Haute Couture nach der Öffnung Japans 1853 Ästhetik und Kultur des Kimono für die Damenmode. Bereits der Begründer der Pariser Haute Couture, Charles Frederick Worth, hat sich immer wieder von japanischen Motiven inspirieren lassen.
Paul Poiret gilt als Wegbereiter der modernen Frauenkleidung, dem die Befreiung der Frau vom Korsett zugeschrieben wird. Als er 1898 seine Ausbildung im Salon von Jaques Doucet begann, war die Entwicklung mit der modischen S-Linie – einer extremen Verformung des weiblichen Körpers mit nach vorn durchgedrückte Brust bei gleichzeitig nach hinten verschobenem Gesäß – an einem Endpunkt angelangt. Paul Poiret gelang die Erneuerung in dem er dieser „Zweiteilung“ des weiblichen Körpers eine gerade, fließende Linie mit hoher Taille entgegensetzte, die ihre Ursprünge in der antikisierenden Mode des Empire hatte. Dadurch entfiel das die Taille einschnürende Korsett. Es wurde durch ein die Hüfte umschließendes festes Band ersetzt. Das ausgestellte Nachmittagskleid von 1912 nimmt die hohe Taille der Antike auf, kombiniert sie jedoch mit Zitaten des japanischen Farb- und Formenkanons.
Als fernöstliches Pendant zu diesem Nachmittagskleid wird aus der Sammlung des Museums für Asiatische Kunst ein Damenkimono aus der Taishô Zeit (1912-1926) gezeigt. Es ist ein sogenannter kurotomesode, ein schwarzer, sehr förmlicher Kimono, in yuzen-Technik (Dekor in Reservetechnik) verziert. Bis heute werden diese schwarz-grundigen Kimonos, mit einem Muster in hellen Farben, das vor allem die unteren Seiten- und Vorderteile eines Kimono schmückt, zu höchsten formalen Anlässen wie zum Beispiel einer Hochzeit getragen. Den formellen Charakter unterstreichen die fünf runden Familienwappen im Schulterbereich des Gewands. Der zartfarbige Dekor zeigt weiße Reiher mit rosa überhauchten Päonien vor Kiefernzweigen. Es sind tradierte japanische Motive, deren Darstellung in abschattierten Pastellfarben eine Datierung in die Taishô Zeit erlaubt.
Der zweite Diskurs widmet sich seit dem 15. Juli 2017 der Keramik: Europäische Porzellane und Steinzeuge des Jugendstils (Art Nouveau) treten in Dialog mit Gefäßen aus China, Japan und Korea.
Obwohl Zeitpunkt und Kontext ihrer Entstehung ganz unterschiedlich sind, weisen die ausgestellten Keramiken gestalterische Parallelen auf. Verwandtschaften zeigen sich zum Beispiel in der Verwendung von Laufglasuren, der plastischen Gestaltung von Formen, der Nobilitierung von Gefäßen durch Sockel und der Darstellungsweise von Naturmotiven. Besonders deutlich wird dies im Nebeneinander von ostasiatischen Keramiken und solchen der französischen Keramikgruppe Art du feu („Kunst des Feuers“).
An der Schwelle zwischen Historismus und Art Nouveau waren westliche Künstler auf der Suche nach neuen Inspirationsquellen. Ihre Begegnung mit der Kunst Ostasiens wirkte wie eine Initialzündung. Dabei spielte das 1867 gegründete Berliner Kunstgewerbemuseum eine wichtige Rolle. Es verstand sich als Vorbildersammlung und sammelte in seiner Anfangszeit sowohl europäische als auch außereuropäische Arbeiten.
Hingegen richtete sich das 1906 unter dem Namen „Ostasiatische Kunstsammlung“ etablierte Museum für Asiatische Kunst beim Aufbau seiner Bestände nach ostasiatischen, nicht nach westlichen Konzepten. Insofern spiegelt sich die als Japonismus bezeichnete westliche Ostasienrezeption in dieser Sammlung kaum wider. Aber die für „Vis à vis“ ausgewählten, größtenteils chinesischen Keramiken aus früheren Epochen lassen dennoch Gestaltungsprinzipien erkennen, die die Künstler des Art Nouveau inspirierten. Die ältesten Arbeiten datieren aus dem 4. Jahrhundert – bis heute wirken sie zeitlos und modern.
Der erste Diskurs widmet sich seit dem 12. Mai 2017 der Materialgruppe „Horn, Bein und Elfenbein“. Im Mittelaltersaal des Kunstgewerbemuseums werden Kunstwerke gegenübergestellt, die zwischen dem 13. und 19. Jahrhundert auf dem indischen Subkontinent und in Europa geschaffen wurden. Das wegen seiner Härte und Elastizität, seinem edlen Oberflächenglanz und der angenehmen Haptik seit jeher beliebte kostbare Material wurde bevorzugt zur Fertigung luxuriöser Gebrauchsartikel und repräsentativer Kunstgegenstände verwendet. Kulturübergreifend symbolisierte das Elfenbein Macht, Potenz, Erhabenheit und Reinheit. Für Jagd- und Kriegsgeräte, für Minnegaben und Kosmetikutensilien ebenso wie für religiöse Devotionalien und für Herrschaftsinsignien wurde es in Europa und Asien gleichermaßen wertgeschätzt. Im Westen trat der Aspekt des Exotischen hinzu, der die Aura der Exklusivität des über weitgespannte Handelsnetze bezogenen fremden Materials noch verstärkte.
Exemplarisch für die spannungsreiche Gegenüberstellung asiatischer und europäischer Elfenbeine stehen zwei Thronsesselbeine aus Orissa aus dem Museum für Asiatische Kunst. Eine für das europäische Auge exotisch anmutende Ikonographie sowie die technische Finesse der Schnitzerei veranschaulichen das hohe Niveau dieser südasiatischen Elfenbeinarbeiten aus höfischem Kontext. Die noch gut erkennbare geschwungene Linie des Stoßzahns dürfte intendiert gewesen sein, um keinen Zweifel hinsichtlich des kostbaren Materials aufkommen zu lassen, welches in Asien wie in Europa mit Herrschern in Verbindung gebracht wird. Der royale Bezug offenbart sich zudem in den Tierkampfszenen, in denen Elefanten dominieren, sowie in der raffiniert rundplastisch gearbeiteten Hauptgestalt, dem aufrecht auf einer doppelten Lotosrosette stehenden Löwen mit zurückgewandtem Kopf, zugleich Wächterfigur und Synonym für Herrschaft schlechthin.
Nicht aus Elfenbein, sondern aus dem Horn des Zebu-Rindes besteht ein in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Süddeutschland geschaffener bootsförmiger Deckelpokal. Seine geschnitzten Darstellungen spiegeln die exotische Herkunft des in Europa seltenen Materials: Zebu-Rind, Löwe und Elefant, ein fremdartig gewandetes Paar sowie die bekrönende Frauenfigur mit Sonnenschirm stehen als Sinnbilder für den Kontinent Afrika. Dem Horn exotischer Tiere wurde giftabweisende und potenzsteigernde Wirkung nachgesagt. Werke aus solchem Material gelangten häufig in fürstliche Sammlungen. Das Exemplar im Kunstgewerbemuseum stammt aus der Kunstkammer der Hohenzollern im Berliner Schloss. Es reflektiert das um 1680 einsetzende Bemühen Kurbrandenburgs um überseeischen Kolonialbesitz.