From the Verges ist Ryan Mosleys erste Einzelausstellung in Leipzig. »From the Verges« heißt so viel wie »vom Seitenstreifen aus«. Aus dieser Perspektive heraus nehmen wir in der Ferne sich abspielende Szenerien wahr, die wohl meistens dem Alltag angehören. Ryan Mosley versteht es meisterhaft, sie in surreal anmutende Bühnenstücke zu verwandeln. Er geht dabei von einem, wie er sagt, »Unvollständigen, einem Hinterland zwischen Etwas und Nichts« aus. Unversehens verschmelzen Künstlerstandpunkt und Betrachterstandpunkt zu einer Position, die in eine intensive Wechselbeziehung mit den Protagonisten des Bildgeschehens mündet. Der Seitenstreifen, die magische Grenze, wird dabei nicht überschritten. Er trennt, strukturiert und ermöglicht für beide Seiten eine fühlbare Distanz, die den Beobachtungsvorgang trägt, ohne die Orientierung in Mosleys so komplexen Zwischen- und Bildwelten zu verlieren.
Wie durch einen Filter dringen Mosleys Beobachtungen des Alltäglichen in seine Gemälde ein und entwickeln sich dort zu undurchschaubaren und geheimnisvollen Bühnenstücken. Der Umgang mit seiner Bildstruktur und das Farbspektrum der matten, zugleich transluzenten Bildoberflächen eint seine Arbeiten. Erreicht wird dieser Effekt durch Mosleys ganz eigene Handhabung von Mischtechniken. Farbe wird zum Teil bis zur Unkenntlichkeit wieder abgeschliffen und neu übermalt. Als Malmittel benutzt er Ölfarben, auch Ölfarbe in Stiftform mit ihrer wachsartigen Konsistenz und Farbpigmente, die er mit Leinöl und Terpentin mischt.
Aus dieser Farbintensität heraus entwickelt er auch seine 28 Portraits, die an eine Ahnengalerie erinnern. Es sind Interpretationen von Menschen, die Ryan Mosley kennt, einige hat er bei seinen Streifzügen entdeckt, andere entstammen seinen Bild- und Vorstellungswelten und tauchen gelegentlich wieder in seinen großen Gemälden auf, und umgekehrt. Virtuos im Umgang mit Farbe entwickelt er vielgestaltige und variierende, geometrisch angelegte, starkfarbige Hintergründe, bei denen die Gesichter meistenteils mit verhaltener Mimik, in gedrehter, frontaler oder auch in Seitenansicht mit diesen verschmelzen.
Hier verquickt er Malerei und Zeichnung. Wie er sagt, habe er in letzter Zeit damit begonnen, die Portraits auszuzeichnen. Dabei entstehen Formationen, bei denen die Köpfe von Mandorlen und Heiligenscheinen umgeben sind und die variationsreich gemusterte Kleidung, die an Oberteile von Kostümen erinnert, mit dem Hintergrund korrespondiert. Es scheint fast so, als ob die Gefühle der Dargestellten sich im dynamischen Farbmuster im Hintergrund zeigen und weniger auf ihrem Antlitz. Schaut man diese inhaltlich und farblich dichten Gemälde lange genug an und nimmt die Farben und Formen intensiv auf, so könnte man, an Wassily Kandinskys Theorie von den Farbklängen anknüpfend, diese Arbeiten als wunderbar-musikalische Kompositionen betrachten.