Der Gebrauch des unvertrauten Idioms – „Vom Leben“ – lässt bereits ein Stück Tom Anholt in die Galerie schlüpfen. Obwohl ganz klar kein Muttersprachler, zeigt er damit, dass er irgendwo angekommen ist, vielleicht auch nur auf halber Strecke… oder zumindest versucht, da zu sein, gegenwärtig zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Das Gegenwärtige ist für Anholt das konzeptuelle Fleisch und Blut seiner jüngsten Reihe. Er ist aus seinem Kopf hervorgetreten, hat seine Augen genutzt, um die Bilder heraufzubeschwören, die er sowohl auf Leinwand als auch auf Holz ausbreitet. Die lebhaften Farben und schlingernden Muster verschleiern spielerisch die Figuren, die sein Leben ausfüllen, und verleihen ihnen gleichzeitig Perspektive. Anholt begann mit seiner Freundin Yildiz, skizzierte sie beim Stillen seines ersten Kindes Ada. Wie er sagt, beabsichtigte er ursprünglich nicht, so etwas in seine berufliche Praxis einfließen zu lassen; das ergab sich erst, als er die Skizzen mit ins Atelier nahm und anfing, die Bleistiftlinien in die Farbe zu extrahieren. Er verfolgte eine Richtung, die seine Erinnerung zurück in die Kindheit schweifen ließ, in eine Kindheit, die von der Kunst vom Leben erfüllt war. Das ist seiner Meinung nach vielleicht der Grund, warum er stets aus seinem inneren Erleben heraus malte, ein ganz persönliches, sanftes Aufbegehren.
Als er zurücktrat und diese kleineren Leinwände mit den vertrauten Formen und Linien betrachtete, die er von Yildiz so gut kannte, wurde der Künstler gewahr, dass er tendenziell die Sichtweise seiner neugeborenen Tochter übernommen hatte – direkt, unmittelbar und lokal. Das brachte ihn auf die Idee, Freunde in sein Kreuzberger Hinterhofatelier einzuladen, sich mit ihnen zu befassen, sie zu skizzieren und später auf Leinwand auszuarbeiten. Ein gegenwärtiger Moment, der durch Leuchtpigmente mit Ölfarben in Erdbraun, Flieder und Rosa unsterblich gemacht wurde; manchmal ist es ein Kampf gegen die Oberfläche, wenn Anholt Glasperlen in die Farbe einfügt, was den geometrischen Landschaften eine sandartige Textur verleiht. Dieses Ringen war mehr als nur schöpferisch, als der Künstler mit seiner neuen Arbeitsweise begann. Es griff auf Anholts Vision über und er sah, was in der Zusammenstellung fehlte und wen er als Nächstes einladen sollte; seine Werke wurden zu einem Archiv der Gefühle, erfüllt von seinem Umfeld, bis er schließlich bemerkte, dass eine Person fehlte: er selbst. Die in sich selbst zurückgezogene Gestalt, die lieber ihre Umgebung als die Kunstszene betrachtet, ist Tom Anholt.
Was Anholt mit seinem zutiefst persönlichen Streifzug ausdrückt, ist eine Zurückweisung der außerstaatlichen Machtstrukturen, die uns ständig kontrollieren wollen. Er erkundet die Idee des Zufriedenseins: sich am Hier und Jetzt erfreuen, ohne die Zukunft vorwegzunehmen. Für ihn steht die Zeit still. Dieser Daseinszustand ist ein äußerst intensives Gefühl, das man üblicherweise als Zufriedenheit kennt; er sollte kein Luxusgut sein, aber in der heutigen Welt scheint es so. Wir befinden uns im stetigen Kampf mit einem Landschaftsraum, der unseren Geist in diverse Untiefen und Abgründe hinabzieht. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit, in der wir leben, ist ein Parasit, der jede Chance zerstört, sich faszinieren zu lassen. Wir erkennen Anholts einfachen, jedoch scharfsinnigen Versuch, dies aufzulösen, die Art und Weise, wie er seine Modelle per Hand einfängt statt in einem digitalen Pixelfoto. Seine Handlungen verlangsamen alle Interaktionen seines Lebens und lassen ihn jedes Detail genießen, da er keine Sekunde verpassen will. Es ist eine emotionale und instinktive Reaktion auf ein weltweites Problem; Anholts Arbeiten sollen uns nicht nur sein Leben zeigen, sondern machen uns auch empfänglich für das eigene. Er nutzt den White Cube als faradayschen Käfig, um uns von unserem selbst erschaffenen neoliberalen Sumpf abzuschirmen.