Ist im Film- oder Theaterdiskurs von der „vierten Wand" die Rede, dann ist jene imaginäre Wand gemeint, welche die Film- oder Theaterhandlung von der Wirklichkeit trennt. Wenden sich die Schauspieler dann plötzlich direkt ans Publikum und treten so für einen Moment aus dem fiktionalen Rahmen, dann ist diese Wand „durchbrochen". Der Versuch jedoch, diese Wand ganz real zu errichten, ist bislang hingegen eher selten unternommen worden.
1999 baute Bert Neumann, der damalige Chefbühnenbildner an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz für die Castorf-Inszenierung von Dostojewskis „Dämonen" eine solche Wand, indem er ein mit Pappplatten verkleidetes sogenanntes „Dämonen-Haus" im Bühnenraum errichtete. „Auf der Bühne findet Leben hinter der vierten, realen Wand statt", erklärte Neumann später seine Idee. „Die Verweigerung dieser Bühnenkonvention machte mir als Gedanke Spaß, und außerdem ähnelt die Bühnensituation so dem Leben außerhalb des Theaters, wo man auch nur Ausschnitte fremden Lebens sieht, nur Teile von Geschichten erfährt, die man dann selber weiterdenken muss." Auch mit anderen Bühnenkonventionen wurde an der Castorf-Volksbühne gespielt. So hockten die Souffleure oft nicht mehr im Zuschauerraum, sondern wurden von Regisseuren wie René Pollesch gleich mit auf die Bühne geholt. Als scheinbar allwissende Doppelwesen repräsentierten sie dort inmitten des Spiels das Scharnier zwischen Fiktion und Realität.
In ihrer Ausstellung mit dem Titel „Die Souffleure" greift Stef Heidhues die Idee dieses Doppelspiels auf. Die Berliner Künstlerin zitiert räumliche Konstellationen, wie man sie aus dem Theater kennt. Da ist etwa die Figur eines Vorhangs, durch den hindurch man vielleicht hinter die Kulissen gelangen könnte. Dorthin, wo die Schauspielerinnen und Schauspieler in den Garderoben in ihre Rollen schlüpfen. Oder jene an einer der seitlichen Wände in der Höhe installierte Konstruktion aus Metallstreben, die wie ein technisches Gerüst einer Zuschauerloge wirkt. Früher dienten diese Logen dem Ausdruck von bestimmten gesellschaftlichen Privilegien derer, die dort saßen.
Ähnlich einer Theatersituation bilden die Einzelobjekte zwischen „Möbel, Architekturfragment und Protagonist" eine Art Ensemble oder offene Spielordnung. Denn die Künstlerin interessiert sich vielmehr für Potenzialitäten, Unklarheiten, Spannungszustände und ästhetische Durchlässigkeiten – das was Neumann einst die „eigene Logik und Schönheit" der nackten Konstruktion nannte, die im Grunde keinen Abschluss braucht. „Meine Werke reflektieren meine Skepsis gegenüber Konzepten von Perfektion, Positivismus und Dauerhaftigkeit" sagt Heidhues. „In ihrer Fragilität, Veränderbarkeit und Offenheit stellen sie das Monumentale in Frage." Die Massivität der Kunstgeschichte wird mit der Momenthaftigkeit des Theaters ausbalanciert. Die Künstlerin hält ihre Kunst in der Schwebe und arbeitet auf Zwischenzustände hin. Darin liegt die konkrete Aufforderung an ihr Publikum sich mit der installativen Situation im Raum dialogisch in Bezug zu setzen.