Zwei Bisons stürmen eine menschenleere Bahnhofshalle. Das Gemälde über den Kamin scheint so gar nicht in die gediegene Atmosphäre eines Salons aus dem 19. Jahrhundert zu passen. Hier traf sich einst nicht nur die Gesellschaft, sondern die Gastgeber zeigten mit Möbeln und Kunstwerken, was sie zu sein scheinen wollen. Der Salon ist ein Erzählraum von Träumen und Geschichten. Im von Melora Kuhn geschaffenen Raum im Galerieraum geht es recht laut zu. Hier rücken nordamerikanische Kunst- und Siedlungsgeschichte, Kriege und Romantik sehr eng zusammen. Neue Erzählungen werden ausgepackt, Vergessenes entstaubt und das immer im Wissen darum, dass Vielstimmigkeit schon längst den Raum eingenommen hat. Denn Bilder wie Räume sind Konstruktionen.
Die Wandmotive zitieren Naturbilder der Hudson River School, jene Strömung der nordamerikanischen Kunstgeschichte, die Mensch und Natur im romantischen Einklang miteinander zeigt. Sie lässt so die Erinnerung an Konflikte und Kriege der damaligen Zeit verblassen – ganz im Gegensatz zu den zwei Bisons über dem Kamin. 2016 vom damaligen Präsidenten Obama zum Nationaltier der USA erklärt, führte die »intensive Bejagung« seit Mitte des 19. Jahrhunderts fast zum Aussterben. Die Tiere starben für Soldatenstiefel oder Proviant der Bahnarbeiter, die die Central Pacific Railroad errichteten. Aus den Zügen heraus wurden die Bisons erschossen. Buffalo Bill schaffte so bis zu 60 Tiere an einem Tag.
Von fotografischen Vorlagen stammen die Porträts an den Wänden. Melora Kuhn wählte die mit einer Tätowierung der Mohabe-Indianer versehenen Olive Oatman und Herman Melville aus. Der Autor von Moby Dick oder Bartleby gilt als ein Vertreter von Young America, einer Schriftstellergruppe, die sich für die demokratische Kultur einsetzte.
Geschichten und Geschichte konkurrieren miteinander wie der Raum im Raum. Er ähnelt einer Theaterkulisse, in der oftmals die Rolle des Sprechenden verschoben wird. Melora Kuhn erinnert in ihren Arbeiten an das Schweigen und das Schreien und den vielen Verhandlungen darüber.