In den ersten Wochen des Jahres, bei eisiger Kälte, die sich besonders an nebligen Abenden bemerkbar machte, bat mich ein Freund, eine Kurzgeschichte zu lesen und fachlich zu beurteilen. Obwohl ich vom Autor nur kurze Fragmente eines Romans gelesen hatte, die ich nicht so schlecht fand, war ich neugierig auf die Kurzgeschichte, denn diese Unterform der Erzählung ist wohl nicht jedermanns Sache. Aber am Ende war ich bitter enttäuscht, nicht nur wegen der schwachen Qualität des Textes, sondern auch wegen des schlechten Einsatzes der Technik, der falschen Darstellung der Charaktere und der Orientierungslosigkeit des Erzählers, dessen Perspektive keine wirkliche Distanz wahrt.
Die ersten Zeilen einer Kurzgeschichte
Als ich die ersten Zeilen las, wurde mir klar, dass ein paar dürftige Worte, deren ungenaue Richtung eine Atmosphäre beschreibt, den Leser nicht auf den ersten Blick fesseln können. Wie wichtig die ersten Sätze einer Kurzgeschichte sind, hängt oft von der Hauptfigur ab. An dieser Stelle kommt die Charakterisierung oder die genaue Beschreibung der Situation, in der er - oder sie - sich befindet. Die Hauptperson sollte im Mittelpunkt stehen, damit der Leser klare und eindeutige Informationen über den Helden erhält. Aber selbst das reicht manchmal nicht aus, denn der erste Eindruck muss durchsichtig, ausreichend, ernsthaft, mystisch und intensiv sein, damit der Leser gefesselt bleibt. Eine Kurzgeschichte ist kein Roman, in dem der Autor wie beim Fußball bis zur Verlängerung oder gar zum Elfmeterschießen gehen kann, um das Spiel zu gewinnen. Eine Kurzgeschichte kann nur gewonnen werden, wenn der Autor in der ersten Minute ein Tor schießt und den Rest der Zeit den Gegner, den Leser, unter Druck setzt. Nur dann hat eine Kurzgeschichte eine Chance, gelesen zu werden. Andernfalls bestraft der Leser den Erzähler, indem er das Buch zuklappt.
Einseitiger Ton und falsche Perspektive
Was den Leser am meisten ärgert, ist der einseitige Ton des Erzählers. Da der Erzähler auch eine Figur in der Geschichte ist, klingt der einseitige Ton doppelt schlecht, wie ein Echo, dessen Echowirkung sich durch alle Zeilen bis zum Ende verstärkt. In einem gut gebauten Text darf dieser Fehler nicht vorkommen, denn selbst wenn es eine gute Handlung gäbe, würde die ganze Geschichte in wenigen Zeilen völlig zerplatzen. Der Leser muss mitten in die Geschichte hineinversetzt werden, um das ganze Spektrum der Gefühle und der gegensätzlichen Charaktere besser erfassen zu können.
In den langweiligen Zeilen dieser Kurzgeschichte stolperte ich über einen ungewöhnlichen Fehler, der mich darüber nachdenken ließ, ob der Autor nur improvisiert oder sich fälschlicherweise für einen Geschichtenerzähler hält. Er behauptete aus der Ich-Perspektive, dass die Figur „X“ eine bestimmte Information wisse, um ihr Verhalten zu rechtfertigen. Die Ich-Perspektive in der Literatur ist eine gefährliche Waffe des Schriftstellers, er kann damit ein überzeugendes Werk schreiben, aber leider ist diese Schreibperspektive begrenzter als die des allwissenden Erzählers. Eine der großen Schwierigkeiten dieser literarischen Technik besteht darin, die Grenzen des Erzählers gegenüber dem Raum und den anderen Figuren zu erkennen. Der Autor muss sich in jeder Zeile, die er schreibt, dieser Grenzen bewusst sein.
Der Ich-Erzähler, der auch eine Figur in der Geschichte ist, kann weder wissen, was die anderen Figuren denken, noch kann er beschreiben, wie andere Szenarien der Handlung aussehen. Einerseits ist die Ich-Perspektive ein Nachteil, weil der Raum begrenzt ist, andererseits erlaubt sie dem Autor, mehr über die Figur zu enthüllen. Dieser Vorteil bereichert eine Kurzgeschichte im Sinne der Intensität der Figur (Ich), vor allem aber macht er den Text überzeugender. Wenn ein Autor einen solchen Anfängerfehler begeht, entlarvt er sich vor dem Leser als Hochstapler, als jemand, der seiner literarischen Verpflichtung nicht gewachsen ist.
Die Anzahl der Figuren
Als ich mit der Geschichte fertig war, hatte ich mindestens acht Figuren auf meinem Zettel notiert. Einige kamen nur in einem Satz vor, andere in drei oder vier. Ich stellte jedoch fest, dass der Autor selbst noch nie eine Kurzgeschichte untersucht hatte und dass seine zu vielen Figuren ein Beweis dafür waren. Was er jedoch erreicht hatte, war, den Zorn und die Wut des Lesers zu wecken. und den Kampf gegen den Leser unterschätzt. Eine Kurzgeschichte darf nicht zu viele Figuren haben. Gerade darin liegt ihr Zauber, ihre Unmittelbarkeit, ihre überschaubare Umgebung, vor allem aber ihre klare Struktur, die dem Leser einen eigenen Zugang ermöglicht. Der unverzeihliche Fehler, zu viele Hauptfiguren zu haben, bringt die Erzählung wieder ins Stocken und führt zu Verwirrung. Eine gelungene Kurzgeschichte sollte nicht mehr als drei Hauptfiguren haben, die alle ausführlich beschrieben werden, und das Schicksal des Helden oder des Schurken sollte am Ende der Geschichte eine moderate Auflösung erhalten, so dass Raum für Interpretationen bleibt.
Ein Autor, der versehentlich gegen die Regeln der Literatur verstößt und das Schema einer Kurzgeschichte zerstört, würgt letztlich seinen eigenen Ruf als Künstler ab, als würde er den Knoten im Strick festziehen, um sich daran zu erhängen. Denn seine Worte haben vor den Augen des Lesers weder Wert noch Kunst, weder Zauber noch Glaubwürdigkeit. Ein wahrer Geschichtenerzähler verliert sich nicht in langen Einleitungen. Mit wenigen Worten webt er Spannung, bis die Wendung kommt – so unerwartet und heftig, als träfe sie den Leser, in den letzten Zeilen, wie ein Sturmstoß oder ein Faustschlag der Wahrheit.