Für ihr Projekt Ablenkungsmanöver wurde Raffaela Bielesch 2022 mit dem Theodor Körner Preis ausgezeichnet. Die Arbeit verknüpft unterschiedliche Geschichten aus ihrem Heimatdorf Stripfing im östlichen Niederösterreich, die im oder um den Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind. Abgeworfene Düppel (Stanniol-Streifen, die das Radar stören) als Christbaumbehang, ein Familiengeheimnis und ein Toter am letzten Kriegstag: Unterschiedliche Erzählstränge verbinden sich zu einem dichten Gewebe, das kein einheitliches Narrativ erzeugt. Vielmehr ist die Künstlerin bestrebt aufzuzeigen, wie Ausnahmesituationen und Konflikte – seien sie gesellschaftlicher wie privater Natur – in vergleichsweise unscheinbaren Situationen des Alltags Ausdruck finden. Sie kristallisieren sich in Orten und Objekten mit Erinnerungswert, die diese Spannungen präsent halten aber auch über ihre alltägliche „Harmlosigkeit“ – gleich einem gekonnten Ablenkungsmanöver – verdecken.

Über eine komplexe Verquickung des Fotografischen und Performativen gelingt es der Künstlerin, einen über die reine Dokumentation hinausgehenden künstlerischen Ausdruck für die Fragen zu finden, die sie bewegen: Welche Artefakte bleiben bestehen? Wie werden diese verwendet? Und was offenbart der spezifische Umgang mit dem Objekt über die unausgesprochenen, teilweise vergessenen dahinterliegenden Geschichten? Die diesjährige Vienna Art Week, die unter dem Motto „Facing Time“ steht, ist daher der ideale Rahmen für die Realisierung des Projektes, das sich auf subtile Weise mit persönlicher wie kollektiver Geschichtsbewältigung auseinandersetzt. Kuratorin Stephanie Damianitsch erweitert das künstlerische Projekt um einen psychoanalytischen Blickwinkel.

Artist talk: Raffaela Bielesch im Gespräch mit Georg Hoffmann und Stephanie Damianitsch. Montag, 11.11.2024, 18 Uhr

Das Gespräch findet anlässlich der Präsentation des Projektes Ablenkungsmanöver im Heeresgeschichtlichen Museum statt. Die Künstlerin Raffaela Bielesch und Direktor Georg Hoffmann diskutieren unterschiedliche Formen der Geschichtsaufarbeitung. Inwieweit hat zeitgenössische Kunst das Potenzial, kollektive Erlebnisse der Vergangenheit zu fassen, dabei aber auch neu zu verhandeln und aus dem Standpunkt der Gegenwart heraus „in Bewegung“ zu versetzen? Wie wird Geschichte in einem Museum bewahrt, vielleicht aber auch neu geschrieben? Die Kuratorin Stephanie Damianitsch moderiert das Gespräch und bringt ihre von der psychoanalytischen Kunstwissenschaft geprägte Perspektive mit ein.

Performance Lecture. Freitag, 15.11.2024, 15 Uhr

In Raffaela Bieleschs Kunst stehen das Fotografische und das Performative immer in einem direkten Zusammenhang und erlauben der Künstlerin, unserer affektiven Bindung an die uns umgebende Dingwelt nachzugehen. In ihrer Performance Lecture stellt sie sich anlässlich der Präsentation ihrer Arbeit „Ablenkungsmanöver“ die Frage, was der spezifische Umgang mit Objekten über unausgesprochene, teilweise vergessene Geschichte(n) verrät. Inwiefern fungieren daher Alltagsobjekte und Fotografien gleichermaßen als Aufzeichnungsmedien? Dabei macht sie deutlich, dass wir nur über das Objekthaftwerden von Gefühlen, Erlebnissen und Ereignissen diese auch „behalten“ können.

(Kuratiert von Stephanie Damianitsch. Mit freundlicher Unterstützung des Theodor Körner Fonds)