Die Vereinigten Staaten haben wichtige außenpolitische Fortschritte gemacht. So, wie es sie seit dem Fall der Berliner Mauer nicht mehr gegeben hat. Sie haben ihre nationalen Sicherheitsinteressen umdefiniert und versuchen, eine neue Weltordnung durchzusetzen, in der die Länder der Europäischen Union und des Atlantischen Bündnisses zu Akteuren werden.
- Sie alle sind davon überzeugt, dass die Bedrohung der westlichen Hegemonie von China und Russland ausgeht.
- Ihre Partner und Verbündeten haben sich darauf geeinigt, die Militärausgaben auf 2 Prozent oder mehr des BIP zu erhöhen. Die deutsche Aufrüstung, die für die Franzosen und andere europäische Länder traurige Erinnerungen heraufbeschwört, sticht hierbei hervor.
- Fast alle NATO-Länder verbünden sich gegen die russische Aggression und weiten die NATO auf Schweden und Finnland aus.
- Die Stärkung des Einflusses des Militärkommandos für den asiatisch-pazifischen Raum durch die Einbindung Australiens, Großbritanniens und Washingtons in den AUKUS wird Canberra zusätzliche Atom-U-Boote bescheren.
- Die Aufrüstung Japans, das als einziges Land die Schrecken von zwei Atombomben erlitten hat. Japan beunruhigt China und die Koreaner aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit. Hierzu kommt die verstärkte militärische Zusammenarbeit der USA mit den Philippinen sowie ein Kontingent von 30.000 Soldaten, die seit 1953 in Südkorea stationiert sind.
Diese große Veränderung der westlichen Länder entspricht der Logik der Macht und des Realismus in der internationalen Politik, wie bereits von Theoretikern im 20. Jahrhundert beschrieben. Der Stärkere stellt Bedingungen und garantiert die Sicherheit der schwächeren Länder, die seine Hegemonie akzeptieren. Die USA haben die EU davon überzeugt, dass sie aufgrund ihres wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Reichtums ein dritter Einflusspol sein kann, aber dass sie ohne Kanonen nutzlos ist.
Ein weiterer großer Sieg ist, dass die republikanische und die demokratische Partei in den USA diese Agenda und die Vorstellungen über die Eindämmung des von China angestrebten globalen Einflusses vollständig teilen. Ein Teil des Verdienstes bei dieser neuen Außenpolitik gebührt dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, der nicht müde wurde, seinen Partnern gegenüber zu wiederholen, dass sie zu wenig für die Verteidigung ausgeben und keinen Hehl daraus machte, dass er China ins Visier nehmen wollte.
Der 100. Geburtstag des ehemaligen Außenministers Henry Kissinger dient als gute Erinnerung daran, dass er darauf hingewiesen hat, dass die Zyklen der internationalen Ordnung (die auf dem Gleichgewicht der Kräfte beruht) geschrumpft sind. Der Frieden, der durch die Niederlage Napoleons und des Wiener Kongresses geschaffen wurde, dauerte 100 Jahre. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 erlebte Europa die Folgen von Versailles und eine internationale Unordnung, die zum Zweiten Weltkrieg und zur Errichtung einer neuen Ordnung führte, die auf der Vision der Sieger und unter zwei Militärblöcken basierte, bis zum Fall der Berliner Mauer.
Dann traten wir in eine unipolare Welt ein, die ein langes Leben zu haben schien, bis plötzlich China auftauchte, das unter den Fittichen der Vereinigten Staaten gewachsen ist. Die USA haben Tausende von chinesischen Doktoranden ausgebildet, die in ihren Technologiezentren ein und aus gingen und Wissen transferierten. U.a. hierdurch gewann China in kürzerer Zeit als von Analysten prognostiziert große geopolitische Räume: mit einer geschickten Kombination aus Soft Power (der neuen Seidenstraße) und Hard Power (mit der Stärkung seiner militärischen Kapazitäten, wie der Tatsache, dass Taiwan Teil eines einzigen Chinas ist). Und was hat die Strategie des Westens mit Russland vor? Mit seinen 17,1 Millionen Quadratkilometern, 145 Millionen Einwohnern und seiner Atommacht? Es zu jugoslawisieren?
Diese mögliche neue Weltordnung findet ihre Entsprechung nicht nur in China und Russland, sondern auch in Ländern wie Indien, Brasilien, Südafrika oder der Türkei, die seit fast 25 Jahren auf ihre Aufnahme in die EU wartet. Neue Bedrohungen wie Klimawandel, Abholzung, Armut, Hunger, Unterernährung, Bevölkerungswachstum, Migration und andere treten in weiten Teilen des Planeten auf, in denen China jahrzehntelang Einfluss genommen hat, ohne Staatsstreiche zu inszenieren oder Militärbasen zu errichten. Heute erleben wir einen Wandel in den USA und ihren europäischen Partnern, die sich einander annähern, um den Einfluss Chinas einzudämmen, das für unzählige Länder zum Handelspartner Nummer eins geworden ist. Schließlich gibt es noch einige sich überschneidende Ereignisse: die bevorstehenden US-Wahlen, der Krieg in der Ukraine, die Spannungen auf dem Balkan, die Stationierung taktischer Atombomben in Weißrussland, die Schwächung einiger Regierungsbündnisse in Europa und das weltweite Erstarken der rechten Szene.
Irgendwann in der US-Präsidentschaftsdebatte wird die Frage auf den Tisch kommen, ob es sich lohnt, den Krieg in der Ukraine weiter zu finanzieren. Der Realismus in der internationalen Politik, in der die Amerikaner große Meister, aber auch große Isolationisten sind, könnte einige der Kandidaten dazu bringen, pragmatische Entscheidungen vorzuschlagen, um die Russen und Ukrainer mit Unterstützung der NATO und Chinas an den Verhandlungstisch zu bringen.