Gagosian Basel stellt mit grosser Freude neuere Papierarbeiten von Jordan Wolfson aus.
Der Künstler wurde 2022 bei Gagosian aufgenommen und präsentiert nun mit dieser ersten Ausstellung, Drawings, fünfunddreissig gerahmte Werk aus der Serie JFK Jr. (2020–). Das Miteinander von übermalten Fotografien des verstorbenen John Fitzgerald Kennedy Jr. und Aufklebern, die eine grafische Darstellung einer roten Rose neben dem frappierenden Slogan “Describing how a dog was slaughtered” (etwa: “Beschreibung der Schlachtung eines Hundes”) tragen, dient Wolfson als Gegenüberstellung und gleichzeitig gewiefte Negation von potenten Bezeichnern des Optimismus, der Unfehlbarkeit und der Liebe. Der verstorbene Präsidentensohn wird als hochgelobter, aber problematischer Vorbote des amerikanischen Neoliberalismus eingeführt, jedoch vom Künstler schonungslos und radikal entstellt: Der Angehörige der vermögenden Elite wird in eine Aussenseiterfigur verwandelt und mit einem charakteristischen Schnurrbart à la Groucho Marx geschminkt. Damit sind die Arbeiten auch als Selbstporträt des Künstlers zu werten, dem in der Schule der Spitzname “Little J.” für “Little Jordan”, “Little Jerk” oder “Little Jew” aufgesetzt wurde.
Gemessen an Wolfsons üblichen Arbeiten nimmt sich Drawings als Erstlingsprojekt mit Gagosian verhältnismässig bescheiden aus, denn der Künstler ist dafür bekannt, eine Vielfalt an Medien – darunter Bildhauerei, Installation, Video, Fotografie, digitale Animation und Performance – in einem konfrontationsgeladenen Stil und in überbordenden Dimensionen einzusetzen. Mit einer collageähnlichen Methodik schickt er die sich wandelnden Sprachen der Online- und Broadcast-Medien durch den Filter digitaler und mechanischer Technologien, um verstörende gesellschaftliche und psychologische Themen zu erforschen. Wolfsons Werk ist durch die Verschmelzung von physischen, virtuellen und imaginären Welten geprägt und dreht sich um die Projektion innerer Impulse auf konstruierte Formen des Selbst und Szenarien. Seine Bilder und Objekte, in deren Mittelpunkt die aufrüttelnde Kraft des Unheimlichen steht, haben eine reale und bleibende emotionale Stärke.
Der befremdlich brutale Text der Aufkleber in den in Basel gezeigten Werken steht für den Horror der Vernichtung eines Wesens und den herzzerreissenden Schmerz über die Verweigerung der Liebe. Wolfson besteht jedoch darauf, dass er komplexe Gefühlsregungen hervorrufen und nicht nur provozieren soll und als Anlehnung an die aufwühlende Lyrik von Richard Brautigans “Love Poem” (1967) zu verstehen ist: “Es ist so schön / morgens ganz allein / aufzuwachen / und keinem sagen zu müssen, / dass man ihn liebt, / wenn man ihn nicht mehr / liebt.”* Anfänglich war die Serie JFK Jr. für Wolfson ein Kniff, um das Phänomen Trump indirekt ansprechen zu können, ohne den progressiven bête noire selbst darzustellen, indem er an dessen Stelle den abgewandelten JFK Jr. als sein ideologisches Gegenstück setzte. Der Künstler hofft, dass die Drawings dank dem im Vergleich zu vielen anderen Arbeiten relativ überschaubaren Massstab nachvollziehbar sind und, wer weiss, auch herzzerreißend wirken.
Nach Drawings folgt im Dezember 2023 eine grosse Ausstellung an der National Gallery of Australia, Canberra, sowie eine grössere Schau 2024 in Los Angeles. Ausserdem präsentiert Gagosian zwei neue Wandarbeiten von Wolfson an der Art Basel 2023 (15.–18. Juni). Vom 13. bis 18. Juni ist die Galerie von 10–19 Uhr geöffnet.
Jordan Wolfson wurde 1980 in New York geboren. Er lebt und arbeitet in Los Angeles. Seine Werke sind namentlich in folgenden Sammlungen zu sehen: Luma Stiftung, Zürich; Fonds national d’art contemporain, Frankreich; Galleria d’Arte Moderna e Contemporanea di Bergamo, Italien; Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin, Italien; Museum Ludwig, Köln, Deutschland; Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent, Belgien; Tate, London; Magasin III Museum und Foundation for Contemporary Art, Stockholm; Moderna Museet, Stockholm; Art Institute of Chicago; Museum of Contemporary Art Chicago; Cleveland Museum of Art; Museum of Modern Art, New York; Whitney Museum of American Art, New York; The Broad, Los Angeles; National Gallery of Australia, Parkes. Zu seinen Einzelausstellungen gehören: Kunsthalle Zürich (2004); Galleria d’Arte Moderna e Contemporanea di Bergamo, Italien (2007); Swiss Institute, New York (2008); CCA Wattis Institute for Contemporary Arts, San Francisco (2009); Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Deutschland (2011); Kunsthalle Wien (2012); Redcat, Los Angeles (2012); Chisenhale Gallery, London (2013); Ecce Homo/le Poseur, Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent, Belgien (2013); Cleveland Museum of Art (2015); Manic/ Love/Truth/Love, Stedelijk Museum, Amsterdam (2016); Colored Sculpture, Tate Modern, London (2018); Jordan Wolfson’s (Female Figure), The Broad, Los Angeles (2018–19); 360: Jordan Wolfson, Zabludowicz Collection, London (2018). 2009 wurde Wolfson mit dem Cartier Award der Frieze Foundation ausgezeichnet.