Das 73. Filmfestival von Locarno findet vom 5. bis 15. August online statt und steht ganz im Zeichen der globalen Zuhause-dabeisein-Erfahrung. Inmitten der Pandemie, die uns nicht nur die Dimensionen der globalen Krise offenbart und unsere Kontakte auf die Familie begrenzt und unsere entgrenzte Beziehung zur Welt auf elektronisch-audiovisuelle Medien reduziert, bekommen wir die passenden Filme zu sehen.
Die Regisseurin Lucrecia Martel präsentiert mit Chocobar in der Sektion The Films After Tomorrow ihren ersten non-fiction-Film und erinnert uns an die fließenden Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm. Martel versucht den Beschränkungen durch die Pandemie etwas Positives abzugewinnen, als eine Zeit die nun manchen Projekten zugute kommt. Marte sieht die Chance, die Probleme die Filmschaffende schon vorher plagten, endlich sichtbar zu machen.
Den Wunsch nach Transzendenz auf elektronischem Wege hegt der thailändische Regisseur Sorayos Prapapan in seinem Kurzfilm Digital Funeral: Beta-Version, der allein zwischen Dach und Schlafzimmer/Büro, also im Künstleratelier, gedreht wurde.
Der Kurzfilm Digital Funeral: Beta Version läuft im internationalen Wettbewerb der Sektion Pardi di Domani und wird bis zum 15. August auf der Plattform des Locarno Film Festival gezeigt.
Sorayos Prapapan, Toningenenieur und Regisseur von zwei Kurzfilmen, ist bereit uns etwas über seine Arbeit und die gegenwärtige Lage in seiner Heimat zu sagen.
Worum geht es in Digital Funeral: Beta Version und wie wurde dieser 6-minütige Kurzfilm für das Filmfestival in Locarno ausgewählt?
In Digital Funeral: Beta Version geht es darum, wie ich meine eigene Beerdigung organisiere; aussehen würde sie wie in diesem Film.
Es ist immer eine Freude, für dieses Festival ausgewählt zu werden, denn hier habe ich viele Filme gesehen, die mir gefallen und hier Premiere feierten.
Ihre Kurzfilme sind voller Ironie, die Sie in visuellen Metaphern übersetzt und die durch die Dauer der Einstellungen Spannung erzeugen. Deine Charaktere, ihre Beziehungen, manifestieren die sozialen Kontraste der thailändischen Gesellschaft. Deine früheren Kurzfilme haben dies beleuchtet. Besonders in Boonrerm (2015), wo eine Hausangestellte gezwungen wird, sich in einen Hundekäfig zu legen und sich durch Müllhalden zu graben, um eine exzentrische Hausfrau zu befriedigen, und in Death of the Sound Man (2017), wo zwei Toningenieure losziehen, um die Klänge eines Landes einzufangen, dessen nationale Symbole schweigen. Betrachten Sie diese narrativen Ressourcen in Ihrer audiovisuellen Arbeit als konstant in Ihrer Arbeit?
Ja.
Glauben Sie, diese Ironie ist etwas besonders Thailändisches oder typisch für das zeitgenössische thailändische Kino?
Ja, das gehört zum täglichen Leben. Wir sind mit vielen ironischen Dingen aufgewachsen.
Angesichts der aktuellen Ereignisse – seit Juli sind in verschiedenen thailändischen Städten Menschen auf Plätze gegangen, um für Demokratie zu demonstrieren – welche Themen sollten gegenwärtig im thailändischen Kino angegangen werden?
Man könnte sagen, "unser normales Leben ist nicht so normal". Jene die uns lehren, nicht zu betrügen, sie selbst Betrüger und treiben viele andere Dinge. Wenn man darüber spricht, schicken sie einem die Polizei, um man wird befragt und in Frage gestellt: "Lieben Sie Ihr Land etwa nicht?" Tatsächlich denke ich, dass all diese Geschichten in Filmen behandelt werden sollten.
Den Vorwurf, sein Land nicht zu lieben und nationale Interessen zu verfehlen, behandelt der Film Aninsri Daeng (Red Aninsri) von Ratchapoom Boonbunchachoke, ebenfalls im Wettbewerb der Pardi di Domani. Aninsri Daeng (Roter Aninsri) bezieht sich auf den aktuellen politischen Kontext Thailands unter Verwendung der ästhetischen Mittel des für die Zeit des Kalten Krieges typischen Kinos. An der Aufnahme der Stimmen, bei dem die verschiedenen Facetten einer selben Figur von verschiedenen Stimmen gesprochen werden, war auch Sorayos Prapapan beteiligt.