Mit der Ausstellung befasst sich das MdbK mit seiner eigenen Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die weitgehend in Vergessenheit geratenen Personalausstellungen von Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth, die der Leipziger Kunstverein im Museum zwischen 1904 und 1911 ausrichtete, werden rekonstruiert und zu den Gemäldeankäufen des Museums aus jener Zeit in Beziehung gesetzt. Die frühen Ausstellungsdaten belegen, dass Leipzig ein wichtiger Vermittlungsort impressionistischer Kunst war – zumindest aus Sicht der führenden Galerien im deutschen Kaiserreich: Ernst Arnold in Dresden und Paul Cassirer in Berlin. Sie zogen auf Einladung des Leipziger Kunstvereins in die heiligen Tempelbezirke des Museums ein, um Verkaufsausstellungen unter anderem mit Liebermann, Slevogt und Corinth durchzuführen.
Inwieweit Liebermann, Slevogt oder Corinth impressionistische Maler oder Wegbereiter der Moderne waren, ist nicht Thema der Ausstellung. Vielmehr soll der Aufbruch Leipzigs zu einer modernen Großstadt vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges nachgezeichnet werden. Ausgehend von den rekonstruierten Ausstellungen werden historische Querschnitte gelegt, deren Spannweite von Nachrichten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Sport, Kriminalität bis hin zur Wetterprognose reicht. Was heute angesichts der tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen durch die digitalen Möglichkeiten schnell vergessen wird: Leipzig hatte im Vergleich zu heute definitiv mehr Tageszeitungen, Verlagshäuser und Großunternehmer, zweifellos ein größeres Theater-, Varieté-, Tanz- und Konzertangebot, mindestens genauso so viele Gaststätten, Cafehäuser und Hotels. Aber auch eine große, wenn nicht gar höhere Anzahl von Selbstmorden, tödlichen Verkehrs- und Arbeitsunfällen sowie Vergewaltigungen, Morden und anderen Verbrechen.
Vor diesem breitgefächerten sozialgeschichtlichen Hintergrund treten die einst in Leipzig zum Verkauf angebotenen Gemälde von Liebermann, Slevogt und Corinth in Erscheinung. So handelt die Ausstellung auch von erfolgreichen Galeristen, in Vergessenheit geratenen Privatsammlern, zerstrittenen lokalen Künstlervereinigungen und verpassten Ankaufschancen für das Museum der bildenden Künste. Das hier veranstaltete Gesellschaftsspektakel Kunst war von einer erstaunlichen Schnelligkeit: Im monatlichen Wechsel wurden unter extrem beengten räumlichen Verhältnissen bis zu vier künstlerische Positionen gleichzeitig gezeigt, jährlich waren 50 und mehr Ausstellungen zu sehen.