Seit fast zwanzig Jahren schafft Tim Eitel (*1971) in seiner Malerei Analogien zur Realität, in denen er aus gesehenen und erlebten Situationen fiktive Parallelwelten konstituiert. Alles in seinen Bildern beruht auf Begegnungen, fotografisch festgehaltenen Objekten oder real existierenden Räumen, und auch die vereinzelt auftretenden ProtagonistInnen sind häufig Bekannte oder WeggefährtInnen des Künstlers. Jede dieser Erfahrungen wird reduziert auf eine bedeutungsvolle Essenz. Die Ambivalenz zwischen der reinen Farbe als flächige, abstrakte Form wie in einer schwarzen Wand und der Farbe als Motiv, als Atmosphäre und als Gefühl von Raum durchzieht sein Werk von Beginn an. Eitels Bilder erzählen keine Geschichten, sondern präsentieren einen Moment, in dem kein davor und danach existiert, und der durch die Konstellation von Figuren im Raum, den Lichteinfall in architektonischen Umgebungen und die Relationen von Farben zueinander bestimmt ist.
Seine Gemälde sind eine Einladung an die BetrachterInnen, sich mehr als einen Augenblick lang auf sie einzulassen, mit den Figuren, die meist in Rückenansicht dargestellt sind, gemeinsam in das Bild zu blicken und sich selbst in der Situation zu positionieren. Gleichzeitig sind die Bilder eine fortwährende Erforschung der Wahrnehmung von Raum, Licht und Zeitlichkeit und ein Ausprobieren der Möglichkeiten der Malerei, diese Elemente abzubilden.
Wie wirkt ein Raum in der Realität, und wie lässt sich diese Wirkung auf den gemalten Raum übertragen? Ganz bewusst setzt der Künstler Spiegelungen und Reflexionen am Boden ein, um aus flächigen Farbstreifen Wände und Böden zu machen, oder benutzt Schlagschatten, um eine Landschaft als Bild im Bild zu entlarven. Doch häufig gibt es davor diesen kurzen Moment der Ungewissheit, wenn eine Figur sich durch ihren spiegelnden Schatten im Bild wiederholt und zu schweben beginnt, ein Fenster sich als eine schlichte Kombination von Linie und Rechteck entpuppt oder die Figuren sich in fast gänzlich schwarzen Räumen fast in der Dunkelheit auflösen: Wo wird der Raum zum Bild, die monochrome Fläche zur Wand, die Form zum Gegenstand? Wieviel kann weggelassen werden, um zum Wesentlichen zu gelangen, was wird hinzu addiert, um den Eindruck der Abbildung von Realität zu brechen?
In den letzten Jahren hat Tim Eitel sich mehr und mehr mit der neurologischen Seite des Sehens beschäftigt und diese Gedanken in seine jüngsten Arbeiten einfließen lassen. Was sehen wir wirklich und was konstruiert das Gehirn, ergänzt das Bildgedächtnis unterbewusst dazu?
Ohne den Anspruch einer Retrospektive setzt die Ausstellung den Schwerpunkt auf Arbeiten aus den letzten zehn Jahren, ergänzt durch einige frühere Arbeiten, und öffnet den Blick auf fiktive (Auto-)Biografien in imaginären Räumen, in denen durch Gesten, Beziehungen und dem Verhältnis der Menschen untereinander Bilder unserer Zeit gezeichnet werden.