Kaum ein Lied vermag die ausgelassene Stimmung und Unbeschwertheit des Sommers so treffend einzufangen wie der Schlager „Pack die Badehose ein“ aus den frühen 1950er Jahren. Beschwingt singt der Kinderstar Conny von den kleinen Lasten des Alltags, die mit einem Sprung ins kalte Wasser des Wannsees gelöst werden können.
Diesem Motto folgend freuen wir uns, Ihnen mit der Ausstellung „Pack den Badeanzug ein“ einen erfrischenden Blick auf junge und etablierte Positionen der zeitgenössischen Malerei zu geben. Anhand einer breiten Auswahl künstlerischer Arbeitsweisen untersuchen wir, was Malerei im 21. Jahrhundert sein kann. Wie geht es dem ältesten Medium der Kunst in unserer hyper-digitalisierten Zeit? Was kann das analoge Bild, was das digitale nicht kann, und wie beeinflussen sich die Medien gegenseitig?
Christian Perdix (*1987 in Berlin, DE) erforscht, wie unser Online-Verhalten das Leben außerhalb des Netz beeinflusst. Im hybriden Raum seiner Bilder stehen halbseidenes Wissen und geprüfte Fakten gleichberechtigt nebeneinander und gehen allzu oft eine gefährliche Liaison ein.
Die Gemälde von Kat Lyons (*1991 in Louisville, US) thematisieren die Auswirkungen medialer Omnipräsenz. Ihre Werke sind reich an Metaphern und zeigen, wie es sich anfühlt, es den anderen stets recht machen zu wollen. Die Anforderungen der Gesellschaft an das Frausein im 21. Jahrhundert scheinen nicht selten unlösbar. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Gleichheit der Geschlechter noch immer eine Utopie ist und das Ungleichgewicht zwischen Frau und Mann wohl nicht in absehbarer Zeit beseitigt werden wird. Nicht zuletzt deshalb erscheinen die Frauenfiguren in ihren Werken als Tiere – oft genug fühlt frau sich heute noch immer wie das Zirkuspferd in der Manege der Eitelkeiten. Einen Lösungsvorschlag aus dieser Misere gibt Lyons auch: erhebe Dich, einem Phoenix gleich, aus der Asche. Dabei gilt in ihrer Praxis das Aufzeigen der Problematik als erster Lösungsansatz, der dem Dekonstruieren festgeschriebener Verhaltensweisen dient. Aus diesen Fragmenten erschafft sie ihren Phoenix.
Surrealistische Momente dieser Art bestimmen auch die Werke von Alicia Adamerovich (1989 New York, US), Stefanie Gutheil (1980 Ravensburg, DE) und Tamara Kvesitadze (*1968 Tbilisi, GA). Mit den Mitteln der Abstraktion dekonstruieren sie vorhandene Geschlechterrollen und kreieren so, einer Tabula rasa gleich, einen Ort der Reflexion und Diskussion. Während Kvesitadze ihre Figuren nackt, verletzlich und schutzlos präsentiert, verbindet Adamerovich ihre Frauen mit den Gegenständen, von denen sie umgeben sind, während sie sich buchstäblich auf der Couch entspannen, auf der sie liegen. Und die ballonartigen weiblichen Brüste der Figuren in Gutheils Werken erinnern mehr an ein Objekt aus einem Comic als an tatsächlich weibliche Formen.
Die Badenden von Monica Kim Garza (*1988 New Mexico, US) laden uns dazu ein, eine Gedankenreise zu heißen Sommertagen am Strand zu unternehmen. Mit selbstbewusster Selbstverständlichkeit feiern ihre Frauen das süße Nichtstun an einem heißen Sommertag – begleitet von kühlen Drinks, Sonnencreme und kühlendem Wasser scheinen ihre (Sonnen-)Badenden der Welt entrückt und ganz bei sich.
Die Protagonisten der Bilder von Carlo D'Anselmi (1991 New York, US) dagegen betrachten das kühle Nass als Bühne ihrer Dramen des Miteinander. Mit zarten Gesten blickt D'Anselmi auf die Fragilität zwischenmenschlicher Beziehungen und entwirft vor unseren Augen ein Diorama aller Spielweisen des Miteinanders. Offen dabei bleibt, ob die Figuren im Wasser nach Erlösung suchen oder Schmerz empfinden. Die Kompositionen von Kimia Ferdowsi Kline (1984 Tennessee, US) muten wie Schnappschüsse eines längst vergangenen Sommerurlaubs an. Die Gesichter ihrer Urlauber*innen und die Details der Umgebung werden nur schemenhaft wiedergegeben und gleichen so den fragmentarischen Erinnerungen in unserem Kopf. Monate später schauen wir dann voller Verwunderung auf die Bilder der vergangenen Erlebnisse und glauben, den Sand in unseren Schuhen und eine leichte Brise auf unserer Nase zu spüren.
Eine vergleichbare Wirkung haben auch die Zeichnungen von Ella Kruglyanskaya (*1978 Riga, LV), der es mit präzisem und minimalistischem Strich gelingt, die ganze Opulenz der Sommerzeit wiederzugeben. Beim Betrachten ihrer Werke stellen sich unverzüglich Assoziationen an übervolle Schwimmbäder ein. In ihrer Konzentration auf Frauen beim Sonnenbaden erscheint die Umgebung der Frauen als abstrahiertes Form. Gleichwohl meinen wir, den Geruch von Sonnenmilch in der Nase zu haben und die fröhlichen Rufe der aufgeregten Kinder am 3-Meter-Turm zu hören.
Die bildimmanente Visualisierung von Geräuschen findet sich auch in den Werken des US-Amerikaners Erik Hanson (*1969 Tokyo, JP). In den vergangenen zwei Jahren widmete er sich immer wieder dem Widersacher des Seemanns Popeye aus dem gleichnamigen Comic: Bluto. Dieser entspricht dem Prototyp des „Bad Boy“ und damit einem zumeist männlichen Rollenverständnis, für das Hanson kein Verständnis aufbringen kann. Seine intensive Auseinandersetzung mit dem Charakter Blutos, der in scheinbar unendlicher Folge dieses Klischee von Männlichkeit wiederholt, gleicht einer Meditation über tradierte Rollenbilder.
In einem Zustand meditativer Gelassenheit scheinen sich auch die Jungen auf den Werken von Logan T. Sibrel (*1986 New York, US) zu befinden. Seine Kompositionen verbinden eigene Erfahrungen und Beobachtungen mit Abbildungen aus dem Internet und hinterfragen das Verhältnis des Künstlers zu Vergangenheit und Nostalgie. So erinnern uns seine Werke immer auch an die stillen Momente am Beckenrand, wenn wir im Untergehen der Sonne schon das Verblühen des Sommers spüren.
Doch bevor es soweit ist, steht zumeist ein Kleidungsstück im Vordergrund, welches wie kein anderes das Versprechen des Sommers in sich trägt – der Badeanzug. Nicht nur lädt dieser uns auf Gedankenreisen zu warmen Sonnenstrahlen und unbekümmerten Sommerabenden ein, er ist wie kaum ein anderes Kleidungsstück immer auch ein Politikum, das Aufschluss gibt über den aktuellen Zeitgeist und damit Ausdruck der Emanzipation der Frau.
Clemencia Labin (*1946 in Maracaibo, VE) wendet ihren Blick ebenfalls jenen Anzügen zu und schafft aus ihnen organisch anmutende Skulpturen in ihrer Werkreihe „PULPA“. Die Farben und Strukturen sind zart und verführerisch wie die tropischen Eiskreationen in den Vitrinen exquisiter Eissalons. Sie versprechen Freude, Vergnügen und Verlangen, Wärme, Wohlbefinden und Optimismus; sie sind opulent, vital und stark.
Die deutsche Künstlerin Elvira Bach (*1951 in Neuenhain, DE) schließlich huldigt in ihren farbenfrohen Werken bereits seit den 1970er Jahren der badenden Frau. In expressivem Pinselgestus ausgeführt, entwirft die Künstlerin das schillernde Bild einer emanzipierten, selbstbewussten Frau. Ihren Mannequins gleich ist dabei immer der Stolz, die Anmut und das Wissen um ein Geheimnis: Liegt zwischen Himmel und Haut nur ein kleines Stück Stoff, bedarf es nicht unbedingt eines geraden Rückens aber einer starken Haltung.