Zilberman Gallery–Berlin freut sich, die Ausstellung Interrupted Halfway Through der in Istanbul lebenden Künstlerin Burçak Bingöl anzukündigen. Die Ausstellung ist die erste Soloausstellung der Künstlerin in Berlin. Die Eröffnung findet am 24. April um 18.00 Uhr und die Press Preview um 11.00 Uhr am selben Tag statt.
In ihren Arbeiten von großem haptischem und visuellem Reiz befasst sich Burçak Bingöl mit dem Begriff der Identität und dem kulturellen Erbe, mit Zwischenzuständen und Fragen nach deren Repräsentation und Präsentation. Die Ausstellung Interrupted Halfway Through – der Titel ist Ahmet Hamdi Tanpınars Buch Beş Şehir („Fünf Städte“) über den Istanbuler Stadtteil Beyoğlu entlehnt – legt die Gedächtnislücken offen, die in der Türkei durch eine resolute Modernisierung gerissenen wurden, indem sie folgende Fragen aufwirft: „Was bleibt uns noch?“ „Wie können wir jene Lücken schließen?“
Burçak Bingöl überführt verschiedene Fragmente von Istanbul nach Berlin und überlagert in einem visuellen Experiment Raum und Zeit. Bingöls Arbeiten entwerfen psychologische sowie politische Landschaften des Vergessens und Gedenkens, sie untersuchen verborgene sowie im Verschwinden begriffene und nahezu verlorene Erinnerungen. Ihre Ausstellung, gleichsam eine Ausgrabungsstätte, richtet den Fokus auf den durch staatliche Kontrolle verursachten gesellschaftlichen Gedächtnisverlust sowie auf die unzulänglichen Beziehungen zwischen Ost und West. Das Interesse für verschiedene Zeitschichten – besonders in Bezug auf die Stadt Istanbul – wurde von den Zeitvorstellungen Tanpınars inspiriert, die wiederum eng an Bergsons Begriff der durée angelehnt sind. Unter Verwendung des Konzepts der „Yekpare-Zeit“ – nach diesem Verständnis ist Zeit weder teilbar noch lässt sie sich mit Kalendern messen; ihre einzige Maßeinheit ist das Gedächtnis – imaginiert Bingöl eine Re-Konstruktion und nimmt die Ruinen einer vergessenen Vergangenheit in den Blick.
In der Ausstellung sind aus ihrem ursprünglichen urbanen Kontext herausgelöste Elemente wie Steine oder Pflanzen ebenso wie Keramikarbeiten zu sehen. Bingöl, die im Bereich Keramik promoviert hat, experimentiert mit Methodik und Grammatik der kulturellen Konnotationen des Materials. Wie manifestiert sich das kollektive Gedächtnis im Material Keramik, das doch jederzeit zu Bruch gehen kann? Kann das Scheitern zum Ausgangspunkt einer neuen Fiktion werden? Bingöl überführt ein Wandstück aus der Istanbuler Galerie, Teil des berühmten, im Jugendstil erbauten Mısır-Apartments, nach Berlin, und bündelt so Energien eines abwesenden Ortes. Die dünnen Schichten der Arbeit Displaced Gallery Wall or A Fragmented Memory of a Rose lassen an die sogenannte Neue Welle denken – die in jüngster Zeit stattfindende (kulturell und / oder politisch bedingte) Einwanderung aus Istanbul nach Berlin. Wie gehen wir in fremder Umgebung mit dem Neuen um?
Die Arbeit Cargo erinnert an die Überreste eines Schiffswracks, die eine vergessene Vergangenheit freilegen. Sie eröffnet neue Möglichkeiten, Geschichte mit Gegenwart, Formalismus mit Intuition und Konzeption mit Materialität zu verbinden. Die Präsentation vereint nicht nur persönliche Vergangenheit mit Gesellschaftsgeschichte, sondern verwischt auch die Grenzen zwischen Realem und Irrealem, zwischen Fiktion und Scheitern.
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Sevinç Çalhanoglu, Lotte Laub, Wendy Shaw und Simon Wachsmuth.