Thomas Ruff ist bekannt für seine konzeptuelle Herangehensweise. Ende der 1970er hat er den Paradigmenwechsel von der Dokumentation zur Fotokunst geprägt und diese kontinuierlich durch neue Ideen bereichert: Angefangen mit den Interieurs, den Innenansichten von deutschen Wohnräumen der 1950er und 1970er Jahre; den Porträts in Überlebensgröße; den Aufnahmen von Gebäuden, reduziert auf deren Kern; gefolgt von den Aufnahmen des Sternenhimmels, denen erstmals nicht mehr die eigene Fotografie zu Grunde lag. Auch die darauffolgenden Serien sind geprägt von der Untersuchung und durch die Inspiration vorhandenen Fotomaterials. Dabei geht es nicht um das Abbilden einer interessanten Aufnahme allein, ausschlaggebend ist die Idee aus der sich die Bilder einer Serie entwickeln. Bei den Negativ-Serien greift Thomas Ruff auf die Originalfotografie des 19. Jahrhunderts zurück, scannt die Originale, invertiert die reizvollen Sujets ins Negative und transformiert die typischen Sepiatöne in cyanblaue Farben und erweitert damit das einstige Edeldruckverfahren der Fotografie mit der digitalen Cyanotopie.
Im Studio von Thomas Ruff stehen die Rechner nicht still. Während in den Nudes, Substrat und jpeg Serien noch das Internet auf die Bildstrukturen hin seziert wurde, ist es ihm mit einem eigens entwickelten 3-DProgramm gelungen, in einer virtuellen Dunkelkammer digitale Fotogramme zu entwerfen. Objekte wie Kugeln, Gläser, Spiralen, Stäbchen, Linsen oder Kristalle werden in 3-D am Computer generiert, um so dann über ein digitales Papier gelegt zu werden. Die farbigen Lichter werden gesetzt und zusammen mit den Gegenständen als Bild gerendert, die Positionen der Gegenstände, der Farbverlauf, Licht und Schattierungen verändert. Das Ergebnis sind digitale Fotogramme mit einem vielfältigen bis in die feinsten Nuancen hineinreichenden Farbverlauf, einem endlosen Spiel von Reflexionen und Flächenstrukturen, einer gestochen scharfen Lichtführung, deren Verlauf sich ins räumlich Endlose fortzusetzen scheint.
In seiner jüngsten Serie stieß Thomas Ruff im Fotoarchiv des Londoner Victoria and Albert Museum auf die in den 1850er entstandenen Fotografien von Linnaeus Tripe, dessen Inspirationsquelle architektonische und topographische Bilder von Monumenten in Indien und Burma waren. Fasziniert von dem zerbrechlichen Material, lässt Ruff diese unbekannten Fotografien in einer Art postumen Tripe Kooperation wieder aufleben. Sein wissenschaftlicher Blick auf das Medium der Fotografie, sein analytisches Vorgehen unter Einbeziehung modernster Techniken führen unermüdlich zu neuen Bildfindungen. Die Ausstellung Thomas Ruff „Serien“ gibt einen Einblick in die Vielfalt der Werkgruppen und einen Ausblick auf die jüngst entstandene Serie.