carlier | gebauer freut sich, mit There and Not There die insgesamt fünfte Einzelausstellung der australischen Künstlerin Jessica Ranking in der Galerie zu präsentieren. Jessica Rankin wurde einem größeren Publikum durch ihre großformatigen Stickereien, Collagen und Aquarelle bekannt, in welchen sie, als bildende Künstlerin und Lyrikerin, Himmelskarten und Landschaften miteinander verwob und sie mit Fragmenten von eigenen und gefundenen Texten kombinierte. Die neuen Werke für There and Not There markieren einen Wandel in der künstlerischen Herangehensweise und im materiellen Gebrauch. Anders als in ihren frühen Werken, die mit silbrig- und lavendelfarbigen Grundtönen die Basis für gestickte Überblendungen von Landschaft und Sprache bildeten, sind die neuen Leinwände stark von malerischen Überlegungen geprägt.
Rankin hat ihre Arbeit an den neuen Werken als Zustand des „freien Falls“ beschrieben – als einen intuitiven, unmittelbaren Prozess, der mit einer erweiterten Materialpalette zu Leinwänden mit leuchtenden, schwebenden Farbfeldern führte. Was auf den ersten Blick als amorpher Farbfleck erscheint, zeigt sich bei genauer Sicht als feinste Garnstickerei. Indem die Stickerei oft die gemalte Geste fortsetzt, komplexer macht oder unterbricht und manchmal sogar die Qualität und Dichte eines Pinselstrichs nachahmt, entwickelt sich ein dynamisches Spiel der Materialien. In Werken wie Thread Suns erweitern gewellte Stoffbahnen die Malereikomposition in die dritte Dimension. Damit und durch die Einbettung von Sprache besitzen die neuen Arbeiten etwas deutlichen objekthaftes. Fragmente eigener Texte, anderer Dichter und des babylonischen Schöpfungsmythos säumen die Seiten der Leinwände, auf die sich ebenso die Malerei über die Kanten hinweg ausdehnt, sich mit der Stickerei verbindet und von dieser fortgesetzt wird.
Rankins vielschichtige Farbschleier erinnern in manchen Momenten an die „Abstract Climates” von Helen Frankenthaler, und dies, obgleich die lichte Ausstrahlung der Malereien vor dem Hintergrund eines gegenwärtig eher düsteren gesellschaftlichen Klimas in den USA, wo die Künstlerin lebt, entstanden sind. Ihre künstlerische Haltung, die Intimität und Zärtlichkeit behauptet, definiert hier im übertragenen Sinne auch einen Raum des Widerstands. Der Titel der Ausstellung lehnt sich an das Werk des rumänischstämmigen Dichters Paul Celan an. Als Holocaust-Überlebender schrieb er weiterhin in seiner Muttersprache Deutsch, und sprengte mit seinem abstrakten, eigenwilligen Stil die Grenzen der Sprache: Worte aufbrechend, Grammatik zerschlagend, Dichtung mit möglichst wenig Worten. Rankins neueste Werkgruppe geht aus einem vergleichbaren Impuls hervor. Sowohl da als auch nicht da, „there“ and “not” there, existiert die Kunst in Zwischenräumen: zwischen den Medien, zwischen den Orten – ihrer eigenen Zeit verhaftet, während sie gleichzeitig andere Formen des Lebendigen, des Schaffens, Sehens und Handelns hervorbringt.
Jessica Rankin (geb.1971, Sydney) lebt und arbeitet in New York. Ausgewählte Einzelausstellungen: Contemporary Forward Rochdale Art Gallery, Rochdale, Salon 94, New York (2014), SCAD, Atlanta (2013), PS1 Contemporary Arts Center, New York (2006), Franklin Artworks, Minneapolis (2005). Im Frühjahr 2016 präsentierte das Museum Dhondt-Dhaenens die Doppelausstellung Earthfold: Julie Mehretu/ Jessica Rankin. Rankin hat an zahlreichen Gruppenausstellungen in den USA, Europa und Australien teilgenommen.